Morgen früh, wenn Gott will
ich wirklich genug. Deb allerdings meinte, es sei am besten, alle blieben an Ort und Stelle, solange Louis noch vermisst wurde. Sie überzeugte mich, dass Maxine und ich miteinander reden sollten.
»Am besten tun Sie das an der frischen Luft«, meinte sie. Also marschierten Maxine und ich zum Pub auf der anderen Seite des Teiches, wo ich uns einen Wodka ausgab. Der Regen hatte endlich aufgehört. Jetzt war es wenigstens ein bisschen kühler. Der Duft des frisch geschnittenen Grases stieg mir beinahe zu Kopf, so intensiv war er. Vielleicht war es aber auch nur der Kater. Maxine war mürrisch, obwohl sie sich entschuldigte. Ich spürte, dass ich sie irgendwie beleidigt hatte.
»Warum haben Sie der Polizei gesagt, mein Freund sei ein mieser Typ?«, platzte sie plötzlich heraus, als ich nachbohrte.
»Ach, das ist es also.« Ich ließ die Eiswürfel in meinem Glas klingeln. »Deshalb haben Sie ihn also auf dem Sofa gevögelt? Um es mir heimzuzahlen?«
Sie zog die Nase kraus.
»Heimzahlen?«
»Sie wissen schon: bestrafen.«
»Nein«, sie schüttelte den Kopf, aber ich sah, dass sie log. »Es war nur, wie sagt man das: Lust. Wir konnten uns einfach nicht beherrschen.«
An dieser Stelle hätte ich normalerweise laut herausgelacht, aber ich hatte meinen Sinn für Humor schon weitgehend eingebüßt.
»Ach ja!«
Langsam dämmerte mir, dass Maxine einfach nicht begriff, was mich an der Szene so aufregte. Das nahm mir irgendwie den Wind aus den Segeln. Vielleicht war ich ja nur neidisch auf so viel »Lust«?
»Ich habe nicht behauptet, dass er ein mieser Typ ist, Maxine.«
Eine Frau im Nadelstreifenkostüm, die am Nebentisch saß, fing zu winken an, als sie ihren Mann mit dem Buggy den Weg heraufkommen sah. Das dicke Baby lachte seine Mutter an. Und die Mutter beugte sich voller Freude hinab, um das Kind hochzunehmen. Eine rasende Sehnsucht durchbohrte mein Herz.
»Wenn Sie das nicht getan haben, warum hat man ihn dann verhaftet?« Maxine sah mich nicht an, sondern pickte an einer Narbe über dem Knie herum. Ihr Rock war so kurz, dass ich zum zweiten Mal an diesem Tag ihr Höschen sah. Irgendwie fiel mir langsam alles auf die Nerven.
»Weil die Polizei alle befragt, die in diesem Haus aus und ein gehen, Maxine. Das verstehen Sie doch sicher? Und im Moment möchte ich keine Fremden im Haus haben, in Ordnung? Und schon gar keine, die mit meinen Schlüsseln ins Haus kommen, meine Sachen benutzen und öffentlichen Sex auf meinem Sofa haben. Das ist einfach nicht akzeptabel.«
»Okay«, meinte sie schulterzuckend.
»Bis Louis zurück ist, will ich zu Hause etwas … etwas Frieden haben. Können Sie das verstehen? Es ist nicht seine Schuld, wie immer er auch heißen mag, …«
»Gorek.«
»Gorek. Ich habe Inspector Silver nur gesagt, dass er im Haus war. Daraufhin hat er beschlossen, ihn zu vernehmen. Ich war das nicht.« Dann fiel mir wieder ein, was Silver gesagt hatte. »Außerdem haben Sie ja ohnehin gemeint, Sie stünden sich nicht besonders nahe.«
Wieder zuckte sie mit den Schultern. Diese verflixte gallische Art!
»Ich fühle mich von ihm angezogen. Außerdem hat er einen sehr guten Job bei Harrods. Und er hat Geld.« Das war immer ein wichtiger Gesichtspunkt, wenn es um Maxines Männer ging. Ich wusste, dass ihre Familie sehr arm war. Sie hatte fünf Schwestern, die immer wieder in London auftauchten und einen Platz zum Übernachten suchten. Gelegentlich kamen sie dann auch zu uns. Dann schleppten sie ihre Plastikkoffer und -tüten die Treppen hinauf und zeigten unter minikurzen Röcken ihre nie bestrumpften Beine. Ich wusste, dass sie in zwei kleinen Zimmern in den Vororten von Calais aufgewachsen waren. Ihr Vater arbeitete im Hafen, und ihre Mutter putzte des Nachts in Bürohäusern. Dass Maxine auf der Suche nach dem großen Glück war, war mehr als offensichtlich.
»Er trägt eine Uniform und steht an der Tür. Er … wie sagt man das … er macht mich einfach an.«
Ich wurde rot. Lieber Himmel, seit wann war ich denn so prüde?
»Ich kann mir nicht helfen. Aber er ist un peu …«
»Was?«
»Wie das Wetter, wissen Sie.«
»Unberechenbar?«
»Oui. Vielleicht sogar gefährlich.« Sie leerte ihr Glas und zupfte an dem aufgeschürften Knie herum. Dieses Mal musste ich lächeln. Mir fielen wieder die Groschenromane ein, die sich neben ihrem Bett stapelten, die Angelique-Romane. Maxine erlebte ihre erste große Leidenschaft.
»Aber Sie dürfen mich nicht mehr schlagen.«
»Ich weiß. Das tut mir
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