Morgen früh, wenn Gott will
brachte, ließ die Plastiktüten fallen. Jedenfalls fiel etwas zu Boden, als meine Schwester hinter mich trat.
»Was zum Teufel?«, sagte sie, als Maxine wenig elegant von dem Kerl herunterrutschte, der immer noch ausgestreckt auf dem Sofa lag und verzweifelt nach seiner Hose grapschte. Die Flüche, die er ausstieß, waren vermutlich türkisch. Leigh begann, laut zu lachen. Meiner prüden Schwester Leigh kam das lustig vor. Mir nicht.
»Jetzt reicht es mir endgültig, Maxine. Stehen Sie auf, und ziehen Sie sich an«, befahl ich. Ich stieg über ihren scharlachroten G-String und trat an sie heran. »Und dann verschwinden Sie zum Henker noch mal aus meinem Haus. Wenn Sie ihn unbedingt flachlegen wollen, dann tun Sie das woanders, okay? Jedenfalls nicht in meinem Wohnzimmer.« Wütend spie ich ihr die Sätze entgegen, während ich dicht vor ihr stand. Sie war natürlich größer als ich. Gott verdammt noch mal, ich hatte es so satt, immer die Kleine zu sein.
»Mais – pourquoi?«, fragte sie in arrogantem Ton, während sie abfällig mit den hängenden, nackten Schultern zuckte. Dann zog sie ihr winziges Röcklein an. »Ich habe nichts Böses getan. Schließlich habe ich im Augenblick keinerlei Pflichten, oder?« Sie erinnerte mich an einen farbenprächtigen Schmetterling, der gerade die Flügel abgeworfen hat, sodass nur noch sein nackter Körper übrig ist. Plötzlich überlief mich eine Gänsehaut.
»Das ist mir egal. Ich möchte, dass Sie jetzt gehen. Bitte«, sagte ich. Deb stand neben mir und fasste meinen Arm. »Beruhigen Sie sich, Jess«, sagte sie. »Lassen Sie uns darüber reden.«
»Würden Sie mir bitte meine Unterwäsche reichen, Jessica?«, sagte Maxine zu mir und verzog ihren Schmollmund. Ich knallte ihr eine mitten in ihr selbstzufriedenes Plastikgesicht. Ich weiß nicht, wer überraschter war: sie oder ich. Sie hielt sich die Backe und starrte mich einen Augenblick an wie ein Phantom. Voller Unbehagen dachte ich an die erste Woche, die sie hier verbracht hatte, und wendete mich ab.
Natürlich musste mein Bruder ausgerechnet jetzt aus der Küche kommen.
»Wow«, murmelte er, als er die immer noch barbusige Maxine sah. »Das ist ja mal ein Pärchen!« Und das stimmte auch. Sie hatte echt einen tollen Busen – groß, stolz und mit pinkfarbenen Schnäuzchen.
»Ach, verpiss dich, Robbie«, sagte ich müde. Wenn es um die niederen Instinkte im Menschen ging, konnte man sich auf Robbie doch immer verlassen.
Jetzt war die Reihe an Leigh auszurasten. »Was zum Teufel suchst du eigentlich hier?« Sie landete gleich einen Volltreffer. »Hast du ihn etwa gebeten dazubleiben?« Anklagend sah sie mich an. Natürlich starrte Robbie immer noch Maxines Titten an, und Maxine genoss es. Immerhin nahm sie sich alle Zeit der Welt, ihren Spitzen-BH wieder anzuziehen. Gorek jedenfalls registrierte Robbies tastenden Blick nicht gerade mit Wohlwollen. Schließlich trieb Deb uns alle zusammen in den Flur und schloss hinter den gestörten Liebenden die Wohnzimmertür.
»Warum gehen Sie nicht in die Küche und setzen Wasser auf? Ich kümmere mich um die beiden.«
»Okay«, zischte ich verschnupft. »Ich will diesen Typen nicht hier haben. Ich habe es satt. Würden Sie ihn bitten zu gehen?«
In der Küche füllte ich den Wasserkocher. Meine Hände zitterten. Auf der Anrichte stand ein Glas mit gutem goldfarbenen Whisky. Eine speckige Ausgabe der Sun lag aufgeschlagen da, die Ergebnisse von den Pferderennen blökten uns entgegen. Käse und Mayonnaise trieften von einem halb gegessenen Sandwich. Jemand hatte wohl die letzten Reste aus meinem ansonsten leeren Kühlschrank verwertet.
»Das ist Mickeys Scotch«, sagte ich.
»Ja, ich konnte ihn nicht fragen. Er war ja nicht da, oder?«, grinste mein kleiner Bruder. Zumindest hatte er sich den Vorderzahn richten lassen, fiel mir auf. Leigh umkreiste ihn.
»Lieber Gott, und du wunderst dich, warum ich mit dir Probleme habe, Robert.«
»Ja, genau das tue ich, Leigh. Blut ist dicker als Wasser, oder etwa nicht?«
Schmerzlich verzog ich das Gesicht, als ich die Worte meiner Mutter wiedererkannte, die ich erst gestern gehört hatte. Leigh begann, die Einkäufe auf den Tisch zu packen und dann einzuräumen. Natürlich landete alles in den falschen Regalen. Mir war klar, dass sie jetzt nicht fragen wollte.
»Also, wie geht’s?« Robbie sah mich an. »Gibt es Neuigkeiten?«
Ich atmete einmal tief durch. »Mickey hatte einen Rückfall. Und niemand hat bislang meinen Sohn
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