Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Morgen früh, wenn Gott will

Morgen früh, wenn Gott will

Titel: Morgen früh, wenn Gott will Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claire Seeber
Vom Netzwerk:
gesehen.«
    »Na ja, keine Neuigkeiten sind doch immer besser als schlechte, nicht wahr?«, sagte er strahlend. Leigh schloss mit ihrem Stiletto-Absatz eine Schranktür, als wolle sie damit Robbies Kopf durchbohren.
    »Kannst du eigentlich nur Scheiße erzählen?«, zischte sie. Draußen im Flur hörten wir die Haustür zuschlagen.
    »Ich versuche ja nur zu helfen«, sagte Robbie und zuckte gleichgültig mit den Schultern.
    »Dir selbst, nehme ich an?«
    »Ah ja? Und wie sollte das gehen? Wie soll ich mir hier selbst helfen?«
    Leigh schnaubte verächtlich und deutete auf das halb aufgegessene Sandwich. »Dann lass uns das doch mal auseinanderklamüsern. Ich versuche die ganze Zeit dahinterzukommen, weshalb du wieder zurückgekrochen kommst, aber so schwer ist es gar nicht, mein Bester. Du bist einfach nur ein verdammter Schnorrer, Robbie, nicht mehr und nicht weniger. Du machst mich krank. Sag ihm, er soll gehen, Jess.« Leigh fluchte nie.
    »Halt den Mund, du dumme Kuh«, fauchte er sie an. Dann schüttete er in einem Zug den Whisky hinunter. »Ich gehe, wenn ich so weit bin. Oder wenn Jess mich loshaben will.«
    Hilflos stand ich zwischen meinen Geschwistern. Der Hass der beiden brachte die Luft förmlich zum Knistern und stellte mir die Haare auf. Ich fühlte mich unbehaglich, so, als würden sich meine feinsten Härchen elektrostatisch aufladen. Ich war schockiert von all dem Gift und der Galle, die Leigh über Robbie versprühte, aber genauso von Robbies Gleichgültigkeit. Immer hatte ich zwischen den beiden gestanden. Offensichtlich hatte sich nicht viel verändert.
    »Was wolltest du denn, Robbie?«, fragte ich ruhig. Pause. Leighs Fingernägel trommelten unrhythmisch auf der Arbeitsfläche, während wir auf seine Antwort warteten.
    »Warum muss ich etwas wollen, um hierherzukommen?«, fragte er aggressiv. »Ich dachte, ich sehe mal nach, ob alles in Ordnung ist. Ich … ich habe mir Sorgen gemacht.«
    »Ich finde, du solltest jetzt gehen. Für den Augenblick wenigstens.«
    Draußen zuckte ein Blitz über den Himmel. Schon meldeten sich meine Schuldgefühle. Es goss wie aus Kübeln. Niemand sagte etwas. Schließlich seufzte er und zog seine schwere Jacke über das zerrissene T-Shirt. Seine Augen wirkten matt, fast leblos. Die feine Haut darunter sah müde und stumpf aus, dünn wie Seidenpapier.
    »Na dann packe ich es eben.«
    Der Donner grollte los. Robbie hielt inne und wartete ab, ob seine Schwestern wirklich so herzlos sein wollten. Ob wir ihn tatsächlich hinaus ins Gewitter hetzen würden? Wir hetzten. Er griff nach der Sun , hielt sie über seinen fettigen Haarschopf und verschwand durch die Hintertür, die er so kraftvoll zuschlug, dass das Glas darin wackelte.
    »Danke, Gott!«, seufzte Leigh. »Ich hoffe, wir sehen ihn möglichst lange nicht mehr.«
    Doch als ich die Küche durchquerte, fiel ein Schatten durchs Fenster. Er war immer noch da. Er tat, als klopfe er, riss die Tür auf, griff nach dem restlichen Sandwich und stopfte es sich in die Jackentasche. Wieder fiel mein Blick auf das Tattoo an seiner Hand, dieses Mal sah es aus wie »Jimmy«. Etwas Buntes aus Plastik baumelte ihm aus der Tasche, aber nur eine Sekunde lang, dann hatte er es wieder zurückgestopft, zusammen mit dem Brot.
    »Man hat halt so seine Bedürfnisse, meine Damen«, sagte er mit einem fröhlichen Grinsen. »Allerdings hätte ich durch aus eine Idee gehabt, wie ich dir hätte helfen können, Jess. Aber wenn du davon nichts wissen willst, dann ist das deine Sache.«
    Dann verschwand er, zusammen mit dem Scotch. Erst etwa eine Stunde später wurde mir klar, was das bunte Ding gewesen war, das aus seiner Tasche baumelte. Ein Babyschnuller in Leuchtfarbe, der an einem Band hing.
    Robbies Handy war »ausgeschaltet«, als ich versuchte, ihn anzurufen. So lief ich mit dem Telefon in der Hand im Haus auf und ab. Es wurde wohl Zeit, dass ich die Polizei auf ihn aufmerksam machte. Ich wusste das, trotzdem wollte ich zuerst mit ihm sprechen, ihm eine allerletzte Chance geben, alles zu erklären. Da kam Deb herein, was mich auffahren ließ. Doch sie wollte mit mir über Maxine sprechen, nicht über Robbie. Ich fand, das Mädchen solle verschwinden – schließlich brauchte ich sie nicht mehr, oder? Ich behielt sie, seit Louis verschwunden war, weil ich sie irgendwie als Verbindung zu meinem Sohn betrachtete. Wenn sie verschwand, dann wäre das – wurde mir klar –, als würde ich meine Niederlage endlich eingestehen. Aber nun hatte

Weitere Kostenlose Bücher