Morgen ist der Tag nach gestern
glaube dir nicht, dass du dich bewirbst. Ich glaube, dass dir das laue Leben hier gut gefällt! Aber du kannst mir nicht ewig auf der Tasche liegen. So geht das nicht!“
Er hat Zwiebeln in Würfel geschnitten und Knoblauch gepresst. Er hat das Fleisch gewürzt und es zusammen mit den Zwiebeln und dem Knoblauch angebraten. Das macht diesen Duft, an dem man eine wirklich gute Soße erkennt.
„Aber Mutter …“
Sie starrt zornig auf seinen Rücken.
„Aber Mutter, aber Mutter! Mutter reicht es, verstehst du.“
Er ist in den Garten raus und hat die Tomaten frisch gepflückt. Er hat das Gehackte aufgetaut und die Paprika aus dem Kühlschrank genommen und in gleichmäßige Streifen geschnitten.
Er stellt den Topf mit dem Reis auf einen Untersetzer auf den Tisch. Er legt ein Frühstücksbrettchen daneben und stellt die Pfanne darauf.
Sie zieht ihr Bein zurück unter den Tisch. „Jedenfalls will ich deine Zeugnisse von den Computerkursen.“ Ihre Stimme ist jetzt ruhiger. Das Tramal tut seine Wirkung. „Der Mann von der Christa kann dir vielleicht eine Stelle besorgen. Aber dazu muss er wissen, was du gelernt hast!“
Das Wasser für den Reis hat er mit zwei Teelöffeln Gemüsebrühe angerührt.
Wo soll er denn jetzt diese Zeugnisse herbekommen?
Die Brühe löst sich in kaltem Wasser nicht auf, aber genau so muss man es machen.
Was fällt dieser Christa-Schlampe ein? Warum mischt sie sich in seine Angelegenheiten?
Nur so entfaltet die Brühe ihre feine Würze in jedem Reiskorn. Man darf sie nicht in heißem Wasser auflösen.
An allem ist Jochen schuld. Jochen und Horstmann!
Wenn man sie in heißem Wasser auflöst, verliert die Brühe ihren Eigengeschmack und gibt nur das Salz in die Reiskörner.
Er setzt sich zu Tisch, nimmt Mutters Teller und tut ihr auf.
„Du kannst die Zeugnisse mitnehmen. Das wäre schön, wenn Christas Mann mir helfen würde.“
Sie nickt ihm misstrauisch zu.
„Versuch nicht mich zu belügen, Frank! Mach das nicht! Ich kann dir nicht helfen, wenn du mich belügst.“
Er legt einen Löffel Reis auf seinen Teller. Man sieht diesem Reis an, das er perfekt ist. Locker und durchzogen mit allen Bestandteilen der Brühe.
„Schmeckt es dir?“
Sie nickt. Ganz leise fragt sie:
„Frank? Du hast doch mit dem Feuer nichts zu tun, oder?“
Seine Gabel fällt krachend auf den Teller.
„Nein! Mutter, ich schwöre, nein!“
Tränen schimmern in seinen Augen.
„Wie kannst du nur so was denken?“
Sie sieht ihn an.
„Tut mir leid, Junge! Das sind die Medikamente. Die bringen mich ganz durcheinander.“
15
Miriam war auf dem Weg vom Haus ihrer Freundin zum Bus verschwunden. Ganze vierhundert Meter durch ein dichtbesiedeltes Wohngebiet, und keiner hatte etwas gesehen. Bis heute kann ich das nicht fassen. Bis heute kann ich das nicht begreifen
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Laila hatte sich erinnert, dass sie beide in der Woche zuvor von einem Mann angesprochen worden waren. Er habe nach einer Adresse gesucht und sie hatten ihm den Weg gezeigt
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Es gab verschiedene Thesen. Eine davon war, dass man Miriam verwechselt habe. Dass nicht meine Tochter, sondern eigentlich Laila entführt werden sollte. Das die Entführer sich an irgendeiner Autobahnraststätte, einem Bahnhof oder Flughafen von ihr trennen würden, sobald sie ihren Irrtum bemerkt hätten
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Dann fiel das Wort „Lösegeld“ und machte mir neue Hoffnung
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Er hebt den Kopf, schaut auf den dürftig beleuchteten Parkplatz. Vier Lampen, nur fünfzig Zentimeter hoch, mit spitzen Metallschirmen, beleuchten den Gehweg zum Wohnhaus. Die Schirme drücken das Licht zu Boden, legen helle, runde Flecke auf die Steinplatten.
Er hatte gerechnet. Er hatte den ganzen Tag im Büro gesessen und gerechnet. Und gehofft! Er hatte gehofft, jemand würde sich melden und sein Vermögen einfordern. Er hatte errechnet, wie viel der Verkauf seiner Firma bringen könnte. Er rechnete den Restwert jedes einzelnen LKWs aus. Das Land, das Wohnhaus, die Auflösung von Wertpapieren, Sparbüchern und Rentenversicherungen. Er hatte nichts ausgelassen. Er war bereit gewesen, wenn sich jemand melden sollte, alles sofort hinzugeben.
Am dritten Tag sah man auch den Polizisten an, dass sie an diese Möglichkeit nicht mehr glaubten. Die Staatsanwältin fragte nach, ob wir mit einer öffentlichen Fahndung einverstanden wären
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Miriams Foto erschien in den Zeitungen. Es gingen Hinweise ein, viele Hinweise, die alle ins Leere führten. Die nähere Umgebung wurde mit Hundestaffeln
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