Morgen ist der Tag nach gestern
Die vom THW machen sich gleich ans Absichern des Kellers.“ Er streicht sich mit der Linken durchs Gesicht. „Die brauchen ein paar Stunden. Wir kommen dann heute Nachmittag wieder.“
Böhm sieht ihn besorgt an. „Bernd, nun übertreib nicht. Geh nach Hause und schlaf dich aus. Das hilft uns nicht, wenn du zusammenklappst.“
Lembach nickt zufrieden. „Vier, fünf Stunden. Dann geht es wieder.“
Er erhebt sich mühsam aus seinem Stuhl und geht vor. „Also, von dem zweiten Toten kann ich euch nur zeigen, wo er ungefähr gelegen hat. Der war nämlich schon zerlegt. Den Abschnitt hatten wir noch nicht frei gegeben, aber einer von diesen ganz Eifrigen meinte: Aufräumen, wo immer man kann.“ Er macht eine wegwerfende Handbewegung. „Weißt du jetzt, warum ich lieber bis zum Schluss dabei bleibe?“
Sie stehen im hinteren Teil der Ruine. Hier muss das Wohnzimmer gewesen sein. Unter dem feinen, schmierigen Film aus Löschpulver und Wasser ragt die Federung eines Sofas aus einem verkohlten Holzgestell. Ein Bilderrahmen hält die Ecke einer Leinwand fest. Grüntöne in all diesem Schwarzgrau.
Lembach bückt sich. „Ich denke hier wird er gelegen haben. Hier haben wir Becken- und Oberschenkelknochen gefunden.“
Böhm klettert auf einen der Mauerreste. Wie in einem Modell, von dem man das Dach abgehoben hat, kann er die Zimmeraufteilung überblicken. Horstmann hatte im Zimmer direkt nebenan gelegen. Wahrscheinlich ein Arbeitszimmer. Wenn der Fundort des zweiten Toten korrekt war, dann lagen zwischen den beiden Toten gut sechs Meter.
„Hat Bongartz die zweite Leiche schon angesehen?“ Lembach schüttelt den Kopf. „Er weiß Bescheid. Wir haben ihm die Knochen gebracht.“
Peter Böhm sieht Joop zwischen den verkohlten Bäumen stehen. Was war nur los mit dem Jungen? Seit einigen Tagen wirkte er verändert und heute Morgen war er nicht mal auf Achims Frotzeleien eingestiegen.
Im Hintergrund, auf dem Militärübungsplatz, blühen große Ginsterbüsche auf dem zerfurchten Sandboden. Der grasbewachsene Hügel ist übersät mit lila blühenden Disteln.
Sein braunes Polohemd scheint die Hitze, die ihn hier auf dem Mauerrest von allen Seiten anfällt, aufzusaugen. Er steigt hinunter. Auf der Grundrisszeichnung in seinem Büro war ein Durchgang, ein Bogen, eingezeichnet. Das Arbeitszimmer war mit dem Wohnzimmer verbunden gewesen.
Könnte es so gewesen sein? Könnte es sein, dass Horstmann einen Brandstifter überrascht hatte und deshalb sterben musste? Könnte es sein, dass der andere Tote der Täter war? Dass er es nicht mehr hinaus geschafft hatte und seinem eigenen Feuer zum Opfer gefallen war?
„Bernd, ist der Kiefer intakt?“
Lembach nickt langsam. „Ja, da setzt Bongartz auch drauf. Aber du weißt ja, wie das ist. Wenn wir keinen Hinweis finden wer er sein könnte, hilft auch der schönste Zahnabdruck nicht weiter.“
Sie gehen zurück zum Transporter.
Böhm sieht sich noch einmal um. Sein Blick gleitet über die Terrasse. Selbst wenn der Tote ein Täter war, es musste mindestens noch einen zweiten geben. Einer hatte den Wagen weggefahren, mit dem der Diesel transportiert worden war.
Lembach zieht den Reißverschluss seines Overalls auf, schiebt ihn von den Schultern hinunter bis zu den Waden und setzt sich. Der Campingstuhl wankt bedrohlich.
Joop schlurft auf sie zu. „Wat jammer! Das war wohl eine schöne Wohnlage, oder?“
Böhm lässt den Blick in die Weite schweifen. „Ja, wunderschön. Aber Horstmann hat das Haus kaum genutzt. Und es sollte brennen! Ich glaube immer mehr, dass es um diesen Ort ging. Nicht um Horstmann, sondern um dieses Haus!“
19
Diese gottverdammte Schlampe! Wieso musste sie sich ständig in seine Angelegenheiten mischen. Das machte sie nur, um sich wichtig zu tun. Vorhin hatte er Mutter noch hinhalten können. Die Idee war ihm in der Nacht gekommen. Er hatte gesagt, dass er die Originale nicht gerne aus den Händen geben würde. Er müsse erst Kopien machen. Das hatte sie verstanden. Er hatte gesehen, dass sie ihm anerkennend zugenickt hatte.
Er holt den roten Plastikeimer unter der Spüle hervor, füllt ihn mit heißem Wasser und gibt einen kräftigen Schuss Spülmittel hinein. Er beginnt mit dem Küchenfenster. Jetzt, wo die Ruine nicht mehr qualmt, kann er endlich den Dreck von den Scheiben waschen. Er nimmt die Gardine ab, öffnet das Fenster und verteilt mit einem Schwamm die Lauge auf Fenster und Rahmen. Das Wasser ist innerhalb von wenigen Minuten schwarz.
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