Morgen ist der Tag nach gestern
Es ist wie … als lebt sie nach fremden Regeln, so als hat sie ihr eigene Musik vergessen. Sie lebt für diese Firma. Es ist ganz schwer für mich, das anzusehen.“
Böhm schiebt die Nickelbrille auf die Stirn.
„Das hört sich aber doch so an, als hättest du dich schon entschieden?“
Joop nickt. „Ich weiß nicht. Ich weiß, was ich nicht will, aber was ich will? Es tut so weh, Peter. Es tut im ganzen Körper weh. Ich würde sie so gerne hier halten. Sie ist jetzt schon so hart und wenn sie geht … Sie wird noch härter.“ Wieder legt er die Hände vors Gesicht. Seine Schultern zucken.
Böhm steht auf und stellt sich dicht neben den jungen Kollegen.
„Wenn du Abstand brauchst, kannst du gerne eine Zeit lang bei uns wohnen. Und wenn du jemanden zum Reden brauchst, komm einfach vorbei. Das kann ich dir auch im Namen von Brigitte anbieten. Da bin ich mir sicher.“
Joop sieht ihn an und nickt. „Ja, das würde ich gerne in Anspruch nehmen. Ich kann diese Streiterei nicht gut ertragen. Wir werden uns trennen, so kommt es wohl. Aber ich würde gerne mit Freundlichkeit weggehen und das geht nicht, wenn wir jeden Abend streiten.“
21
Ursula Zech schließt den Laden ab. Christa ist schon seit dreizehn Uhr weg. Die Stadt ist wie ausgestorben, die Menschen kaufen nichts zum Anziehen, bei fast vierzig Grad. Da möchte man nichts anziehen. Eigentlich hat sie bis achtzehn Uhr dreißig geöffnet, aber jetzt sitzt sie schon fünf Stunden im Laden ohne einen einzigen Kunden. Sie ist müde und ihr Bein schmerzt. Immer wenn sie Schmerzen hat und alleine ist, verdächtigt sie ihn. Immer wenn sie Schmerzen und viel Zeit hat.
Sie schüttelt den Kopf.
„Es ist nicht recht, dass ich ihm misstraue. Eigentlich ist er ein guter Junge. Er macht den Haushalt, da muss ich mich um nichts kümmern und auch die Arbeit bei Horstmann hat er gut gemacht. Das hat Horstmann selber gesagt.“
Ursula, hat er gesagt, ich verstehe nicht, warum der Frank keine Arbeit hat. Der macht seine Sache ordentlich und zuverlässig.
Das hat er gesagt! Und der war anspruchsvoll. Das war keiner, der über Schlampereien hinweggesehen hätte.
Sie steckt den Schlüssel in die Tasche, nimmt die Krücke, die an der Hauswand lehnt, und geht zum Parkhaus.
Wenn der Junge die Zeugnisse hat, dann kann Christas Mann vielleicht wirklich was für ihn tun. Er muss dann einfach auch mal durchhalten und ein bisschen schneller arbeiten. Wie oft sie ihm das schon gesagt hat.
Sie fährt mit dem Fahrstuhl hinunter in das zweite Geschoss der Tiefgarage.
Er will immer alles hundertprozentig machen, aber darauf legt heute keiner mehr Wert. Heutzutage muss eben alles schnell gehen.
Sie fährt das Auto aus der Tiefgarage. Auch die Straßen sind leer. Kein Mensch fährt bei diesem Wetter gerne Auto. Die liegen alle in den Freibädern. In den Sommerferien hat sie auch so schon jedes Jahr deutliche Umsatzeinbußen, aber so schlimm wie in diesem Sommer war es noch nie. Wenn das so weitergeht, kann sie sich noch ein oder vielleicht zwei Monate über Wasser halten, aber dann ist es vorbei.
Kurz vor dem Ortsausgangsschild drosselt sie den Motor und versucht einen Blick in die Boutique „Happy Life“ zu erhaschen. Die verkaufen Bekleidung in ihrer Preisklasse und die haben auch schon geschlossen. Zufrieden drückt sie das Gaspedal durch. Es geht eben doch nicht nur ihr so.
Auf der Landstraße kommen ihr nur vereinzelt Autos entgegen.
Der Frank lügt nicht, eigentlich lügt der nicht. Außerdem ist er nicht dumm. Er hatte immer gute Zeugnisse und wenn er gewollt hätte, dann hätte er auch Abitur machen und dann studieren können. Aber das hat er nicht gewollt. Damals hat er gesagt: Mutter, ich lass dich doch nicht alleine!
Nein, mit dem Feuer hat der nichts zu tun. Brandstiftung steht in der Zeitung. So was würde Frank nicht tun. Sie hatte ihren Sohn anständig erzogen. Dass er nicht so gerne arbeitet und langsam ist, das hat er vom Vater. Der war richtig faul gewesen. Wenn der nur den Wasserhahn reparieren sollte, hatte das mindestens zwei Wochen gedauert, ehe er sich bequemte.
Sie biegt in Ness rechts in die Teichstraße ein. Immer noch stehen viele Autos vor Horstmanns Grundstück.
Sie stellt den Wagen vor die Garage und steigt mühsam aus. Heilfroh ist sie, wenn sie endlich eine Tablette nehmen kann. Als sie das Haus betritt, riecht es nicht wie gewöhnlich nach Essen und sie hört auch Frank nicht mit Töpfen und Geschirr hantieren. Sie legt den Schlüssel
Weitere Kostenlose Bücher