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Morgen ist der Tag nach gestern

Morgen ist der Tag nach gestern

Titel: Morgen ist der Tag nach gestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mechtild Borrmann
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seine Schultern prasselt, erinnert er sich an den erlösenden Tag. Der Arzt hatte gesagt: Wir müssen das regelmäßig kontrollieren, aber ich kann Ihnen sagen, Sie sind zurzeit krebsfrei!
    Er hatte sie in die Arme genommen. Auf der Rückfahrt hatten sie kein Wort miteinander gesprochen und waren sich doch so nah gewesen.
    Erst zu Hause war es ihm aufgefallen. Erst zu Hause hatte er gedacht: So kann es also sein, wenn ich ohne Angst vor morgen bin.
    Sie frühstücken gemeinsam. Brigitte spricht aus, was er beim Erwachen gedacht hatte.
    „Weißt du was, Peter. Die Buche kommt auf keinen Fall weg. Die ist besser als jede Klimaanlage!“ Er lacht.
    Sie sprechen über Horstmann. Brigitte hatte häufig mit ihm zu tun gehabt. „Der war sehr engagiert. Im Frauenhaus hat die Stiftung oft geholfen. Gerade wenn es schnell und unbürokratisch laufen musste.“ Sie schiebt sich ihr dickes blondes Haar aus der Stirn. „Bei Horstmann hatte man immer das Gefühl,
den
interessieren die Menschen wirklich, verstehst du?“
    Böhms Augen wandern zum Fenster hinaus. Er muss unbedingt mehr über diesen Mann wissen. Vielleicht war es ja wirklich darum gegangen, das Haus niederzubrennen. Vielleicht war Horstmann wirklich nur zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen.
    Sie verlassen gemeinsam das Haus. Brigitte trägt ein langes, hellblaues Kleid ohne ärmel. Ihm fällt auf, dass er sie schon lange nicht mehr in einem Kleid gesehen hat.
    Als er um acht Uhr sein Büro betritt, ist van Oss schon da.
    „Setz dich erst gar nicht!“ Joop steht am Schreibtisch. Er hat seine Locken zu einem kurzen Zopf im Nacken zusammengebunden. „Lembach hat gerade angerufen. Es sieht aus, als hätten wir
zwei
Tote im Horstmannhaus.“
    Böhm starrt einige Sekunden auf die Grundrisskarte ohne sie zu sehen.
    „Im Keller?“
    „Nein, auch Parterre. Unter den Trümmern. Lembach sagt, die vom THW haben den fast zusammen mit dem Schutt entsorgt. Da kann man sich wohl vorstellen, was von diesem Menschen noch übrig ist!“
    „Morgen.“ Steeg kommt zur Tür herein, schiebt die ärmel seines Jacketts bis zu den Ellenbogen und zeigt muskulöse Unterarme. Er tut einen Schritt ins Büro und bleibt wie angewurzelt stehen. „Das glaub ich jetzt nicht!“ Er starrt Joop van Oss an. „Du willst nicht wirklich mit einem Pferdeschwänzchen durch die Gegend laufen, oder?“
    Joop sieht ihn mit großen, runden Augen an. „Doch! Ich schwitze.“
    Steeg setzt sich. „Ich gehe mit dir zusammen keinen Schritt vor die Tür! Nicht solange du so rumläufst. Das geht echt zu weit!“ Er atmet zischend aus.
    Joop geht an ihm vorbei. „Laat me met rust!“
    Böhm nimmt die Autoschlüssel vom Schreibtisch.
    „Achim, wir haben einen zweiten Toten im Horstmannhaus. Joop und ich fahren hin. Tu du mir den Gefallen und finde so viel wie möglich über Horstmann raus.“
    An der Tür dreht Böhm sich noch einmal um. „Esmuss eine Frau Horstmann geben. Eine geschiedene Frau Horstmann. Klär das mal. Wir treffen uns spätestens um ein Uhr hier.“

    17
    Die Zeit, die folgte, war von kranker Blässe. Die Tage waren nicht hell und die Nächte ohne diese Finsternis, die alles unsichtbar macht, auch den Schmerz. Ein schleichendes Gleichmaß, das Ruhe vorgaukelte. Wie dumpfer Schlaf, den man mit Hilfe von Tabletten findet. Schlaf, der ohne Wärme ist, der Zerrbilder schickt, wie Nebel in feuchter Herbstkälte.
    Er blättert die eng beschriebene Rechenheftseite um. Wieder liegen hunderte von kleinen grauen Kästchen vor ihm.
    Fast ein Jahr verging. Marion schluckte vier bis fünf Mal am Tag Beruhigungsmittel. Ihr Misstrauen gegen mich blieb und im Februar 2002 zog sie aus. Ich war froh. Ihre Blicke waren mir unerträglich geworden
.
    Hatte ich in den ersten Wochen noch täglich bei der Polizei angerufen, so ließ ich nach und nach davon ab. Es war aussichtslos. Ich hatte den Eindruck, andere Fälle hatten sich in den Vordergrund geschoben. Die Suche nach meiner Tochter war höchstens noch zweitrangig, aber wahrscheinlich nicht mal mehr das. Und den Satz: Uns liegen keine neuen Erkenntnisse vor, wollte ich nicht mehr hören
.
    Im Oktober 2002 stand er plötzlich auf dem Hof
.
    Ich sprach mit einem meiner Fahrer über die für den nächsten Tag geplante Inspektion des LKWs. Wir gingen die Liste durch und kreuzten an, was in der Werkstatt überprüft werden sollte
.
    Der Fremde trug eine schwarze Lederjacke und Jeans. Ganz selbstverständlich stand er mitten auf dem Platz und wartete. Sein

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