Morgen komm ich später rein
sozialer Interaktion
werden, anstatt wie bisher für die Arbeitsaktivität selbst da zu sein.
Arbeiten auf Entfernung und stärkere individuelle Verantwortung des einzelnen Mitarbeiters werden das Verhältnis von Arbeitnehmer
und Arbeitgeber auf scheinbar paradoxe Weise verändern: Einerseits wird es eine stärkere Betonung der messbaren Ergebnisse
geben. Gleichzeitig werden fortschrittliche Arbeitgeber feststellen, dass im Umgang mit ihren Angestellten Vertrauen und soziale
Netzwerke an Bedeutung gewinnen. Der Auftraggeber der Studie, Brother-Chef |229| Yuji Furukawa, sieht es so: »Unternehmen müssen Vertrauen in ihre Angestellten entwickeln – in die Freiheit, eine bessere
Balance zwischen Leben und Arbeiten zu entwickeln.«
Die Basis dieser flexibleren und, so die Forscher, »flüssigeren« Arbeitsweisen wird die Kommunikation sein. Mehr als je zuvor
werden wir einen großen Teil unseres Arbeitstages damit verbringen, miteinander in Kontakt zu bleiben, Beziehungen zu pflegen,
Verbindungen zu knüpfen. Neue Technologien werden uns ermöglichen, dies auf immer komplexere und subtilere Arten zu tun. Am
interessantesten fanden die Forscher den voraussichtlichen Einfluss dieses Trends auf unsere Definition von Arbeit und Privatleben.
Arbeit werde immer weniger ein Ort, an den wir gehen und immer mehr eine Frage, wie wir unsere Zeit nutzen: »Wir werden im
Jahr 2020 nicht mehr zur Arbeit gehen«, schreibt die Future Foundation in ihrem Bericht: »Wir werden unsere Arbeit einfach
machen.«
Bis zu diesem Zeitpunkt, so die optimistische Voraussage der Experten um Studienautor Paul Flatters, würden in Deutschland
81 Prozent der Arbeitnehmer als flexible und mobile so genannte »freE-worker« – wir nennen sie neue Freiangestellte – arbeiten,
in Großbritannien 80 und in Frankreich 76 Prozent. Man darf sich diesen Prozess nun aber nicht als Automatismus vorstellen,
den man bequem zurückgelehnt einfach abwarten kann. Aus Arbeitnehmersicht lohnt es sich, die Entwicklung schon heute aktiv
einzufordern, denn bis 2020 würde man doch noch eine ganze Weile an den Schreibtisch gekettet verbringen. Als Arbeitgeber
muss man erst recht zu den aktiven Protagonisten dieses Wechsels gehören, denn nur so kann das Unternehmen von den oben beschriebenen
Vorteilen profitieren und zu den fortschrittlichen First Movern gehören.
Allerdings werde es in dieser Entwicklung Gewinner und Verlierer geben, warnt Catherine Hakim von der London School of Economics,
die sich seit Jahren mit Teleworking beschäftigt. Denn die zusätzliche Autonomie, die Flatters preist, gebe es nicht automatisch
und für alle: »Es wird eine immer stärkere Differenzierung geben zwischen Wissensarbeitern und unqualifizierten Arbeitern.«
Diese sicher zutreffende Befürchtung weist auf ein grundsätzliches Paradox der Easy |230| Economy hin: Nur mit hinreichender Aus- und permanenter Fortbildung, mit hoher geistiger Flexibilität, lebenslangem Lernen,
technischer Unbefangenheit, Freude an Kommunikation, umfangreicher Fachkompetenz, ausgeprägtem Selbstbewusstsein und ohne
Existenzangst werden wir ihre Vorteile genießen können. Sich nicht mehr von der Arbeit stressen zu lassen, ist ein ziemlich
anstrengender Job.
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So viel Zeit – was tun damit?
In der Easy Economy gewinnen wir die Kontrolle über unser Leben zurück. Als neuer Freiangstellter sind wir wieder Herren über
unsere eigene Zeit – wie zuletzt eigentlich nur an der Uni oder als Kinder in den Sommerferien. Durch effizienteres Arbeiten,
weniger Ablenkung, höhere Konzentration, das Weglassen von Unwichtigem und vor allem durch die Emanzipation von der täglichen
Anwesenheitspflicht im Büro haben wir plötzlich jede Menge Zeit, die wir sonst mit Surfen am Arbeitsplatz, Kollegenplaudereien
an der Kaffeemaschine oder uneffektiven Arbeitsimulationen spät abends am Schreibtisch vertrödelt hätten. Doch was tun mit
den vielen gewonnen Stunden?
Zunächst mal: Das soll jeder selbst entscheiden. Wenn Sie Lust haben, tagsüber auf dem Sofa ein Nickerchen zu halten, zwischendurch
eine DVD zu schauen, mit Freundinnen shoppen zu gehen oder morgens erst mal zum Sport – bitte, nur zu. Genau das ist die Idee
der neu gewonnenen Freiheit. Hauptsache, Sie setzen sich zwischendurch noch lange genug an den Rechner, um Ihre Arbeit zu
erledigen und die neuen Ideen aufzuschreiben, die Ihnen beim mittäglichen Joggen gekommen
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