Morgen komm ich später rein
psychoaktiven Substanzen im Blut. »E-Mail verursacht heute die meisten Probleme in unserem Arbeitsalltag«, fasst Karen
Renaud von der Universität Glasgow eine Studie zusammen, für die sie die Computer von 177 Menschen überwachte. Die Probanden
checkten ihr elektronisches Postfach bis zu vierzigmal pro Stunde. Ein Drittel gab an, sich durch die Masse an E-Mails und
den Druck, diese schnell zu beantworten, gestresst zu fühlen. Kommt Ihnen das irgendwie bekannt vor? Wie Sie sich gegen dieses
kommunikative Dauerfeuer selektiv abschotten, lesen Sie im Kapitel »5=9 Stunden«.
Dass dieses permanente Büro-Multitasking Geld kostet, liegt auf |33| der Hand. Für die US-Wirtschaft bezifferten Forscher des Beratungsunternehmens Basex den Schaden auf jährlich etwa 588 Milliarden
Dollar. Wissenschaftler des Henley Management Colleges kamen nach der Befragung von 180 Führungskräften aus Deutschland, Großbritannien,
Dänemark und Schweden zu dem Schluss, dass Manager im Durchschnitt allein dreieinhalb Jahre ihres Lebens mit unwichtigen oder
überflüssigen E-Mails verplempern.
Ähnlich unproduktiv sind in der Regel die ewigen Meetings. Experten bestätigen, was wir eigentlich alle wissen. Gerd Gigerenzer
vom Max-Planck-Institut für Bildungsforschung: »Zieht man eine Sitzung in die Länge, wird die Chance immer größer, dass zweitklassige
Lösungen vorgeschlagen und am Ende gewählt werden.« Scott Adams, der Erfinder der »Dilbert«-Comics, nennt ganz oben auf seiner
Büro-Hassliste den Typen der »absichtsvollen Sadisten«. Diese »setzen exzessiv lange Sitzungen an, egal zu welchem Thema,
aber ohne klares Ziel. Es gibt keine Toilettenpausen (funktioniert am besten in Kombination mit Kaffee) und sie berufen Meetings
am liebsten am Freitagabend oder in der Mittagspause ein.« Um die Rolle eines absichtsvollen Sadisten zu spielen, so Adams,
kombiniere man am besten Ernsthaftigkeit und Hingabe mit einer soziopathischen Geringschätzung für das Leben anderer Menschen.
Aber im Ernst: 20 bis 30 Prozent der Besprechungen könnte man sich allein deshalb schenken, weil der Chef eigentlich schon
vorher weiß, welches Ergebnis er erreichen will, hat die Kieler Managementberaterin Angelika Behnert herausgefunden. Bei einer
Umfrage unter 800 leitenden Angestellten in Deutschland, Österreich und der Schweiz gaben 2006 61 Prozent der Befragten an,
die meisten Meetings seien unproduktiv, wenn nicht ganz vergebens.
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Das Schreibtischparadox
Dieses Ergebnis dürfte niemanden überraschen, der sich abends ausgelaugt und entnervt aus dem Büro nach Hause schleppt. Mit
sinnlosen Besprechungen, schlecht organisierten Projekten oder unproduktivem Warten auf den Feierabend, mit unnötigen E-Mails, |34| ausufernden Telefonaten, und übermäßig plauderigen Kollegen vergeudet der moderne Arbeitnehmer mindestens ein Drittel seiner
Bürozeit (mehr zu den Details dieser Rechnung später). Ein Paradox: Wir gehen jeden morgen ins Büro um unseren Job zu machen.
Dabei ist es – genau betrachtet – vielleicht der schlechteste Ort, um konzentriert zu arbeiten. Übereifrige Kollegen verschaffen
allen anderen Extraarbeit, Sensible brauchen täglich Zuwendung und Streicheleinheiten, Klassenclowns verlangen nach Publikum,
um von ihren Wochenendexzessen zu erzählen, Selbstverliebte lassen jeden im Großraumbüro noch am kleinsten Fortschritt ihres
jeweiligen Projekts teilhaben. Den Luxus, sich vor diesem Kommunikations-Tsunami in ein Einzelbüro zurückzuziehen, genießen
gerade mal 33 Prozent der deutschen Beschäftigten. 27 Prozent teilen sich die Arbeitswabe mit einem Kollegen, die restlichen
40 Prozent ertragen Mehrpersonenbüro oder Großraum, so eine Studie des Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO)
in Stuttgart. Nicht immer sind die Menschen, deren Nähe wir hier zwangsweise ertragen, die produktivsten, motiviertesten oder
– mal ehrlich gesagt – cleversten Zeitgenossen.
Selbst die klugen und netten Kollegen stehlen unsere Arbeitszeit. Eva Busse, eine promovierte deutsche Journalistin, die für
verschiedene große Zeitungen und Zeitschriften gearbeitet hat und inzwischen in London lebt, beschreibt das so: »Die produktivste
Zeit im Büro waren für mich immer die ersten zwei, drei Monate, wenn man noch nicht so viele Menschen kennt. Danach fangen
die sozialen Kontakte an. Man muss sich dafür interessieren, was dieser Kollege am Wochenende
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