Morgen komm ich später rein
zu verwechseln? Vielleicht gehören Sie ja auch zu den »Extremjobbern«,
einem neuen Phänomen, für das gerade Wissensarbeiter besonders anfällig sind. Geprägt wurde dieser Begriff in einer Studie,
die die Unternehmensberater von Kienbaum Management Consultants und die Zeitschrift
Harvard Business Manager
2007 unter 142 deutschen Führungskräften durchführte:
|46| Spätestens seit Managementvordenker Peter Drucker Ende der sechziger Jahre Wissen als wichtigsten Produktionsfaktor und Wissensarbeiter
als entscheidende Ressource bezeichnet hat, wird intellektuell fordernde Kopfarbeit für Unternehmen immer wichtiger. Anspruchsvolle
Kopfarbeit zieht Mitarbeiter an, die eine ähnlich gute Ausbildung haben, einen vergleichbaren gesellschaftlichen Hintergrund
und die sich intellektuell ebenbürtig sind. Der Arbeitsplatz wird so für viele Menschen zum Zentrum ihres sozialen Lebens.
Dort finden sie ihre besten Freunde, dort haben sie ihre anregendsten Begegnungen. Unter diesen Umständen macht es nur wenig
Spaß, nach einem langen Arbeitstag in eine Wohnung mit leerem Kühlschrank und einem vernachlässigten, quengelnden Teenager
zurückzukehren – Extremjobbern fällt es dann nicht sonderlich schwer, noch etwas länger im Büro an der Budgetplanung zu arbeiten.«
Der Begriff Work-Life-Balance bekommt so eine ganz andere Pointe: Bloß nicht zu lange weg sein vom Schreibtisch. Die Welt
da draußen wird zunehmend unübersichtlich, anstrengend, gar Furcht einflößend. Wenn wir uns an Csikszentmihalyis Glückstheorie
des Flow erinnern – also des konzentrierten Erfüllens anspruchsvoller Aufgaben –, verwundert es nicht, dass viele dieser Menschen
in ihrer Arbeit kurzfristig Spaß und Erfüllung finden. Dass diese Extremjobber mittelfristig für eine Renaissance des guten
alten Burn-out-Syndroms sorgen dürften, ebenso wenig.
Auch die Soziologieprofessorin Arlie Russell Hochschild von der University of California kennt diesen Effekt: Sie hat Familien
untersucht, in denen beide Partner anspruchsvolle Jobs haben, und einen Wertewandel entdeckt. Bei ihnen vertauschen sich die
Rollen von Freizeit und Arbeit: Das Zuhause sorgt für Stress und Schuldgefühle gegenüber den Angehörigen, die Arbeit wird
zu einem Ort, an dem erfolgreichen Mitarbeitern Bewunderung und Respekt entgegengebracht werden. Naheliegend, dass solche
Menschen ihren Lebensmittelpunkt ins Büro verlagern.
Es sei nicht das »böse Kapital«, das die Wissensarbeiter zu Überstunden zwinge, sagt auch die deutsche Ökonomin Sabine Wolf,
sondern oft die Begeisterung der Beschäftigten für ihre Arbeit. Die von ihr befragten Bremer Flugzeughersteller, Satellitentechniker
und |47| Mitarbeiter von Energieerzeugern arbeiteten oft freiwillig über 40 Stunden pro Woche. Wolfs Fazit: »Den Druck transportieren
die Beschäftigten vielfach selbst.«
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Bore-out: Ein öder Job ist auch nicht besser
Interessanterweise ist es aber mindestens so auslaugend, zu wenig zu arbeiten wie zu viel. Komplementär zum klassischen Burn-out
entdecken clevere Forscher neuerdings auch den Bore-out. Über dieses Phänomen haben die zwei Schweizer Unternehmensberater
Philippe Rothlin und Peter Werder ein Buch mit dem Titel
Diagnose
Bore-out. Warum Unterforderung im Job krank macht
geschrieben. Drei Elemente kennzeichnen ihrer Einschätzung nach die Situation: Unterforderung, Desinteresse und Langeweile.
»Wir gehen davon aus, dass rund 15 Prozent der im Dienstleistungssektor Beschäftigten betroffen sind«, erklärt Werder. »Nur
Menschen, die an einem Schreibtisch arbeiten, können einen Bore-out bekommen«, ergänzt Rothlin. Werder nennt unterschiedliche
Ursachen: »Die einen haben von Anfang an den falschen Beruf gewählt und rutschen über das Desinteresse in den Bore-out hinein.«
Die anderen seien zwar im richtigen Beruf, aber am falschen Ort.
Viele Betroffene halten sich die Arbeit systematisch vom Leib, zum Beispiel mit der Komprimierungs-Strategie: Man gibt zu
Beginn eines Projektes richtig Gas, ist schnell fertig, verrät das aber nicht, sondern liefert erst zum Abgabetermin. So gewinnt
man ein paar freie Tage, in denen man online den nächsten Urlaub organisiert oder bei YouTube Videos anschaut. »Es gibt ein
wahnsinnig attraktives Angebot, mit dem ich mich am Arbeitsplatz vergnügen kann«, so Peter Werder. Das Internet sei aber nicht
die Ursache für den Bore-out, sondern nur ein
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