Morgen komm ich später rein
– einige Jahre später – doch noch Realität. Und so gibt es tatsächlich bereits virtuelle Firmen,
wenn auch noch eher im Technikbereich. Das Unternehmen Collanos vertreibt eine Software, die es Menschen und Firmen ermöglicht,
weltweit versteut an Projekten zusammenzuarbeiten, so als säßen sie im selben Büro. Das Unternehmen führt selbst vor, wie
das geht: Collanos stammt ursprünglich aus der Schweiz, aber seine Mitarbeiter sind verstreut über den ganzen Globus; »es
arbeiten von dort Leute mit, wo Fähigkeiten, Lust und Motivation vorhanden sind, bei diesem Projekt mitzumachen«, so Geschäftsführer
Peter Helfenstein. Management und CTO sitzen immer noch in der Schweiz, Entwickler und Programmierer sind in der Ukraine,
Bulgarien, Indonesien und Indien, in den USA gibt es Marketing und PR-Funktionen – ein virtuelles Unternehmen ohne Zentrale.
Der persönliche Kontakt zwischen Mitarbeitern ist die Ausnahme. Nur die indischen und ukrainischen Mitarbeiter treffen sich
noch in einem Büro (»vor allem in Indien ist die Kultur stärker hierarchisch geprägt und autoritärer und man braucht ein repräsentatives
Office«) – allein schon, weil die Mitarbeiter zu Hause keine geeigneten Räume haben. Die Chefs in der Schweiz hingegen müssen
sich schon richtiggehend verabreden, wenn sie alle zusammen an einem Ort sein wollen.
Collanos hat sogar eine internationale »virtuelle Weihnachtsfeier« übers Internet gemacht, bei der jeder Mitarbeiter einem
anderen zwei virtuelle Geschenke machen durfte. »Das war etwas absurd aber auch ein sehr amüsantes, schönes Erlebnis«, erinnert
sich Helfenstein. Die Vorteile der ortlosen Arbeitsweise liegen für ihn in »Mobilität und Globalisierung, Effizienzsteigerung,
Sparpotenzialen, dem Zugang zu qualifizierten Arbeitskräften weltweit und der |81| zusätzlichen Nähe zu Kunden überall auf der Welt dank neuer Kommunikationskanäle«.
Technologie sieht Helfenstein dabei nicht als Ursache der Veränderung, sondern als Werkzeug, Unternehmensbedürfnisse zu befriedigen,
die vorher bereits existierten: »Wir müssen in der Lage sein, mit jedem jederzeit von überall arbeiten zu können – flexibel,
günstig und zeitverzugslos für unsere Kunden und Ansprechpartner. Durch die Globalisierung und den immer stärkeren Wettbewerb
wird 9-to-5 eine Illusion, ein Wettbewerbsnachteil.« Die New Economy sei zwar ein Technologie-Hype gewesen, so Helfenstein.
In dieser Zeit hätten die technologischen Möglichkeiten mehr geboten als die Kunden wollten. »Aber heute haben Unternehmen,
Mitarbeiter und Konsumenten die Vorteile der Globalisierung, der Mobilität und Flexibilität erkannt. Nun braucht es die Technologien,
dies zu nutzen.«
Dazu bedürfe es zum Teil auch eines anderen Mitarbeitertypus: »Extrovertierte Persönlichkeiten, die den Kontakt nach außen
aktiv suchen, dadurch motiviert werden, können besser mit solchen Modellen umgehen. Für mich ist es deshalb nicht verwunderlich,
wenn in den USA die Adoption schneller vor sich geht.« Durch Flexibilität, Mobilität und Homeoffice falle natürlich die informelle
Kommunikation, das Zusammentreffen in der Kaffeepause, der Raucherecke, oder beim Mittagessen nahezu weg, so Helfenstein:
»Dies kann die Identifikation mit Team und Firma reduzieren und muss entsprechend durch gezielte Maßnahmen kompensiert werden,
wie Teamnachmittage, Arbeit an einem Standort mit allen, oder Videotechnologie, die wie eine Gegensprechanlage alle Mitarbeiter
weltweit permanent verbindet.« Physische Trennung könne zwar durch stärkeres virtuelles Zusammenkommen kompensiert werden.
»Man muss sich allerdings zwischendurch doch mal sehen«, so Helfenstein. »Die Amerikaner kommen regelmäßig für eine bis zwei
Wochen in die Schweiz, die Schweizer besuchen die Mitarbeiter von den USA bis Indien: Es hält etwa drei Monate, danach werden
die Missverständnisse bei der Kommunikation wieder größer.«
Ob E-Mail, Kollaborationssoftware oder Wiki – die neuen Kommunikationstechniken |82| erlauben es Unternehmen in jedem Fall, massiv an Infrastruktur zu sparen und gleichzeitig hochflexibel zu bleiben. Das Software-Unternehmen
Coghead aus Kalifornien arbeitet so: Außer Laptops und Mobiltelefonen hat sie keine Sachwerte. Ein Büro in einem alten Lagerhaus
bei Redwood City gibt es zwar noch, aber es wird auf Monatsbasis geleast. Server, E-Mailprogramme und ein Wiki werden von
Drittanbietern
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