Morgen komm ich später rein
Subunternehmer mit hohen Flexibilitätsgraden kreative Arbeiten zuliefern, sitzt ein Kern von fest angestellten Managern
noch länger in den Büros und organisiert den digitalen Bienenschwarm des mobilen Crowdsourcing. Diesen Festangestellten ähnliche
Freiheiten zu ermöglichen wie ihren Zulieferern muss Ziel der Easy Economy ein. Realistisch ist das. Tapscott hat für sein
Buch viele Wirtschaftsführer interviewt – die meisten von ihnen waren sich einig, dass für Unternehmen die größten Chancen
darin liegen, mit neuen Philosophien der Arbeitsplatzgestaltung zu experimentieren: »Die Beschäftigten bauen ihre eigenen
selbst organisierten Verbindungen auf und bilden bereichsübergreifende Teams, die in der Lage sind, als globale Belegschaft
in Echtzeit zu interagieren.« Eine solche Dezentralisierung der Arbeit und der Arbeitsplätze werde in den nächsten Jahren
der bestimmende Trend sein.
Tapscotts Fazit: Das Büro und die Firmenzentrale würden nicht verschwinden. »Aber es wird immer weniger zwingende Gründe geben,
monolithische reale Arbeitsplätze zu organisieren, auf denen sich die überwältigende Mehrheit der Inhaber täglich einfinden
muss.« Das sieht auch Frank Frößler so. Der wissenschaftliche Mitarbeiter am Centre for Innovation, Technology and Organisation
am University College Dublin hat untersucht, wie zum Beispiel die Nutzung der Internet-Videotelefonie Skype ein Unternehmen
verändert. Ergebnis: Kollaborative Technologien sorgen sogar für mehr und bessere Kommunikation unter Mitarbeitern als der
gute alte Flurfunk im physikalischen Büro. »Anstatt Informationen in Datenbanken abzulegen nimmt der Mensch wieder eine zentralere
Stelle in der Organisation von Arbeit ein. Fragen werden durch kurze Chatnachrichten geklärt, Meetings so organisiert, und
teilweise auch komplexe Aufgaben gelöst. Man kooperiert intensiv in Bereichen, in denen man es vorher nicht getan hätte und
kann im Idealfall so ein |79| besseres Verständnis von der Arbeitsumgebung und den Problemen erlangen.«
Damit dies zustande komme, seien allerdings Voraussetzungen nötig: Das Management müsse eine selbstständige Arbeitsweise etablieren,
nur dann würden die Mitarbeiter proaktiv Informationen austauschen. Frößler: »Das bedeutet auch, dass sich die Rolle des Managements
verändert. Es geht darum, Rahmenbedingungen zu schaffen und diese durchzusetzen anstatt der klassischen Kontrollrolle.« Mitarbeiter
auf der anderen Seite müssten innovativ sein und offen für Experimente mit neuen Arbeitspraktiken. »Ich habe es in einer Fallstudie,
in der Skype erfolgreich implementiert wurde, erlebt, dass die Unternehmensgrenzen bedeutungslos wurden. Leute haben intensiv
mit Skype kommuniziert und es ist ein starkes Zusammengehörigkeitsgefühl zwischen allen Beteiligten entstanden. Dabei hat
es keine Rolle gespielt, ob die Leute im gleichen Büro oder getrennt voneinander arbeiteten, ob sie zur gleichen Firma gehörten
oder nicht.« Insbesondere durch die Nutzung von Gruppenchats seien alle Beteiligten in den Informationsfluss eingebunden und
hätten ein gutes Kontextverständnis.
Frößler glaubt, dass sich durch die Nutzung derartiger Technologien die Rolle des Büros ändert – es wird von der Pflichtveranstaltung
zum freiwilligen Treffpunkt: »Menschen haben in Büros die Möglichkeit sich zu treffen, Erfahrungen auszutauschen, zu lernen,
ihr soziales Netzwerk zu erweitern und Beziehungen zu stärken.« Längerfristig würden aber die meisten Berufsgruppen wohl nur
noch etwa die Hälfte ihrer Arbeitszeit im Büro verbringen.
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Virtuelle Unternehmen und Teams
Die logische, wenn auch radikale Folge aus ortsungebundenen, kollaborativen Arbeitsumgebungen ist das virtuelle Unternehmen.
Ohne Firmensitz, ja ohne zentrales Büro funktioniert es als frei flottierender Verband selbstständiger Einheiten. Es besitzt
keine oder kaum Immobilien, Möbel, technische Infrastruktur, es besteht, frei nach der Gesellschaftsdefinition des einflussreichen
Soziologen |80| Niklas Luhmann, (fast) nur noch aus Kommunikation. Das virtuelle Unternehmen ist die idealtypische ökonomische Entsprechung
der Wissensgesellschaft – und wie alle Ideale ist es in der Praxis ausgesprochen selten anzutreffen.
Doch auch hier gilt wie für Online-Shopping und nomadische Beschäftigungsverhältnisse: Vieles, was mit dem Platzen der Internetblase
totgesagt wurde, wird nun
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