Morgen komm ich später rein
Vorgesetzten die fertige Hochglanzpräsentation vor. Und sieht
dabei nicht mal übernächtigt aus, weil die Arbeit in anderen Zeitzonen erledigt wurde.
Die Entkoppelung der Arbeit von Ort und Zeit ist eine enorme Entwicklungschance für Länder wie Indien und China, birgt aber
ebenso ein erhebliches Emanzipationspotenzial für Wissensarbeiter in entwickelten Ländern wie Deutschland. Diese Entwicklung
ist tatsächlich neu – die technischen Mittel stehen seit vielleicht drei Jahren komfortabel zur Verfügung, wirklich professionell
kann man so erst arbeiten, seitdem breitbandige Internetanschlüsse flächendeckend geworden sind. Manchmal dauert der Fortschritt
eben länger als man denkt: Erst im dritten Quartal 2007 meldete die Bundesnetzagentur, dass über 47 Prozent aller deutschen
Haushalte einen schnellen Online-Zugang haben. Der amerikanische Wirtschaftswissenschaftler Bill Jensen, der im Kapitel über
Effizienzsteigerung noch zu Wort kommen wird, sagt es so: »Noch vor einigen Jahren mussten die Menschen von Unternehmen umgeben
sein, die die Plattform für eine Zusammenarbeit darstellten. In Zukunft wird niemand mehr eine Unternehmensorganisation brauchen,
um zu kooperieren, teilzunehmen oder etwas zu erschaffen. Die Menschen können sich erstaunlich gut selbst organisieren. Die
Zukunft der Zusammenarbeit am Traumarbeitsplatz wird wesentlich dadurch bestimmt, wie viel Mehrwert sie für den Einzelnen
bereithält.«
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Kollaboratives Arbeiten
Interessanterweise führt die neue Unabhängigkeit des Angestellten von der Infrastruktur der alten Büros keineswegs zu Vereinzelung
und mangelnder Kommunikation. Im Gegenteil: Das Internet ermöglicht plötzlich eine neue Stufe der produktiven Zusammenarbeit,
die noch vor wenigen Jahren undenkbar gewesen wäre. Hinter Schlagworten wie »Web 2.0«, »Social Software« und »Wiki« verbirgt
sich eine handfeste wirtschaftliche Revolution: Dank internationaler |77| Datenstandards, schneller Onlineverbindungen und immer effizienterer Workflow-Software lassen sich globale Experten-Netzwerke
und hochqualifizierte Mitarbeiter in fremden Ländern ebenso leicht rekrutieren wie eigene Angestellte von der Anwesenheitspflicht
im Büro befreien.
Der amerikanische Wirtschaftsexperte Don Tapscott hat das 2006 zusammen mit Anthony D. Williams in seinem Bestseller
Wikinomics
zuerst beschrieben: Auf der ganzen Welt verstreute Individuen können heute anspruchsvolle Produkte gemeinsam erstellen, ohne
am selben Ort anwesend zu sein. Beispiele sind die Online-Enzyklopädie Wikipedia und Open-Source Software wie Linux oder Firefox.
Diese werden zwar in Teamarbeit produziert, aber durch die kollektive Leistung vieler Einzelner, die vor ihren jeweiligen
Computern sitzen und sich vielleicht nie gegenseitig zu Gesicht bekommen. Auch traditionelle Unternehmen wie der Chemie-Markenartikler
Procter&Gamble nutzen derartige kollaborative Arbeitsweisen: 50 Prozent der neuen Produkt- und Serviceideen kommen von außerhalb
des Unternehmens. Auf einer »Innocentive« genannten Plattform arbeiten weltweit 90 000 freiberufliche Wissenschaftler gegen
Geldprämien an der Forschung und Entwicklung neuer Produkte für den Konzern.
Individuen, die fest angestellt arbeiten, können sich ebenfalls derart globalisieren. Als Tapscott den Softwarechef von IBM,
Steve Mills, besuchte, befand dieser sich gerade in zwanzig verschiedenen Chats mit Kunden und Kollegen aus aller Welt. Mills:
»Wenn die Computer schnell genug sind und genügend Bandbreite zur Verfügung steht, fühlt sich alles, was fern liegt, nah an
– für mich ist die ganze Welt nah. Ich muss nicht in einem Raum physisch anwesend sein, um mich zu beteiligen.« Heute, so
Tapscott, nutze bereits eine ganze Generation junger Arbeitnehmer »webgestützte Werkzeuge auf eine ganz neue Art«. Dieser
Umgang wirke auf ältere Kollegen oft verblüffend, könne aber Firmen, die ihren Arbeitsstil an die neuen Errungenschaften anpassten,
echte Vorteile bringen. Tapscott: »Werkzeuge wie Blogs, Wikis, Chatrooms, Peer-to-peer-Netzwerke und Podcasting ermöglichen
es den einzelnen Mitarbeitern, produktiver |78| als je zuvor zu kommunizieren und zu kooperieren.« Dies wiederum bedeute einen qualitativen Sprung in der betrieblichen Zusammenarbeit.
Gleichzeitig zeichnet sich in manchen Unternehmen ein unguter dialektischer Prozess ab: Während externe – oft freiberufliche
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