Morgen komm ich später rein
Büros arbeiten, wir müssen
erreichbar sein und unsere Abwesenheit vorher ankündigen.« Theoretisch, so Hoffmann, könnte er auch mal eine Woche lang von
Mallorca |74| aus seine Aufgaben erledigen. Aber das würden weder Chefs noch jene Kollegen gern sehen, die diese Freiheit nicht haben. Von
den vierzig Proaut-Mitarbeitern käme flexible Arbeit für zwölf in Frage, schätzt Hoffmann, von denen wiederum erst vier das
Arrangement nutzen.
Dabei liegen die Vorteile für ihn auf der Hand: »Wenn ein Handwerker kommt, muss ich mir nicht extra einen Tag frei nehmen.
Ich spare die Anfahrtszeit – immerhin eine halbe Stunde pro Weg. Ich bin zu Hause oft produktiver, weil ich den Bürolärm nicht
habe. Und wenn ich abends mal Überstunden mache, sitze ich nicht allein im dunklen Büro.« Seinem Chef hat er die Sache genau
so schmackhaft gemacht: Zeitersparnis, Produktivitätsgewinn, höhere Motivation. Und ihm – ganz wichtig – einen Rückweg aus
der Testphase eröffnet: »Wenn’s nicht klappt, kann er die Regelung ja wieder kassieren.« Bislang klappt’s. Und Hoffmann würde,
sagt er, zu keinem Arbeitgeber wechseln, der ihm diese Flexibilität nicht bietet.
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Die Arbeit wird flach
Zum ersten Mal können Festangestellte ihren Tag ähnlich strukturieren wie Freiberufler. Ein dritter Weg der Arbeitsorganisation
tut sich auf, die Freianstellung. Unser Kapital sind der Inhalt unseres Kopfes, unseres Adressbuchs und unserer Computerfestplatte
– nicht das starre Regelwerk des Bürotags. Angesichts massiv gefallener Kollaborationskosten braucht heute niemand zwingend
eine Unternehmensplattform, um erfolgreich am Wirtschaftsleben teilzunehmen. Die von Thomas Friedman beschriebene »flache
Welt« hat einen enormen technologischen Emanzipationsprozess des Einzelnen von den Unternehmen ausgelöst. Der amerikanische
Journalist und Bestseller-Autor Friedman erklärt in seinem Buch
Die Welt ist flach
, wie frühere Entwicklungsländer dank moderner Technologien zunehmend auf gleicher Augenhöhe mit Industrienationen um Aufträge
konkurrieren. Die von ihm korrekt identifizierten technischen Umwälzungen sind unter anderem:
|75| zunehmende Verbreitung von Workflow-Software und digitalem Dokumentenmanagement, die es Mitarbeitern ermöglicht, an einem
Projekt zu arbeiten, ohne am selben Ort oder auch nur auf demselben Kontinent zu sein,
weltweite Standardisierung von Geschäftsunterlagen und Dokumenten dank Internet und PDF,
die Möglichkeit für jeden Menschen, dank schneller Online-Verbindungen das Ergebnis seiner Arbeit »hochzuladen«, also von
einem beliebigen Ort aus Kollegen, Kunden oder dem Arbeitgeber zur Verfügung zu stellen.
Wirtschaftswissenschaftler wie der Harvard-Shootingstar Pankaj Ghemawat haben Friedman widersprochen und bestehen darauf,
dass trotz Globalisierung »die Märkte nach unterschiedlichen Regeln funktionieren« und »der Großteil aller Aktivitäten nach
wie vor lokal geschieht«, dass also zum Beispiel »Telefongespräche, Internetverkehr oder Investitionen zu 90 Prozent innerhalb
der Landesgrenzen bleiben«. Vielleicht hat Friedman mit der gleichmacherischen Tendenz der Technologie für Volkswirtschaften
übertrieben. Es wäre ja auch zu schön, wenn Entwicklungsländer einfach so durch ein paar Glasfaserkabel den Fortschritt der
westlichen Welt aufholen könnten.
Uns interessiert hier aber nicht der volkswirtschaftliche, sondern der technologische Aspekt von Friedmans Argument. Und der
bleibt nicht nur unwidersprochen, er lässt sich auch noch besser auf Individuen anwenden als auf Nationen: Der fest angestellte
Wissensarbeiter kann heute in der Tat von überall am Arbeitsprozess teilnehmen und er kann dies zu fast beliebigen Zeiten
tun. Die Zeitverschiebung zwischen Indien und den USA ermöglicht ja gerade Effekte wie den von Friedman genüsslich beschriebenen,
dass ein Amerikaner abends dem Steuerberater seine Unterlagen gibt, der sie nach Indien schickt, Feierabend macht – und am
nächsten morgen sind sie fertig bearbeitet zurück in seinem E-Mail-Eingang. Umgekehrt geht das übrigens auch: In einer Werbung
des Bürogeräteherstellers Ricoh muss ein asiatischer Angestellter über Nacht dem Chef eine riesige Präsentation |76| anfertigen. Er scannt einfach alle Vorlagen ein, mailt sie an Kollegen in Indien und Europa – und am nächsten Morgen hat er
das vermeintlich Unmögliche geschafft: Er legt dem verblüfften
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