Morgen komm ich später rein
51-Jähriger, der sehr verständlich formuliert, neue Erfindungen einfach mal »super«
oder »klasse« findet und der stolz darauf ist, dass er seine Ideen in der freien Wirtschaft dem Praxistest unterzieht. Der
Wissenschaftler ist kein Revolutionär im Elfenbeinturm, sondern denkt in pragmatischen Lösungen. Im Forschungsprojekt Office
21 untersucht er schon seit 1996, wie es weiter geht in Sachen Arbeit und Büro. Das Projekt finanzieren 25 Unternehmen wie
Fujitsu/Siemens, Intel, die Telekom und Microsoft, aber auch Immobiliengesellschaften, die Deutsche Bank oder große Büromöbelhersteller,
die alle wissen wollen, welche Auswirkungen der Wandel auf ihre Produkte hat.
Das klassische Bürogebäude mit langen Fluren und Einzel- oder Doppelzimmern, die davon abgehen, »ist out, das wird auch kaum
noch gebaut«, so Bauer. Büros seien schon jetzt immer häufiger offene Strukturen: Der Arbeitnehmer hat dort nicht nur seinen
Schreibtisch, sondern einen Meetingraum, Kreativraum, Konferenzraum mit Telekommunikation, einen Coffeeshop – viele Bereiche,
in denen verschiedene Formen der Zusammenarbeit möglich sind (mehr dazu in Kapitel 12). Die Flexibilisierung, die zwischen
den Gebäuden und der Außenwelt stattfindet, spiegelt sich auch in den Gebäuden und das bringt ganz konkrete Vorteile: BMW
hat in Leipzig durch eine vom OIC konzipierte offene Bürostruktur die Zahl der internen Meetings drastisch reduziert.
Für Bauer wird es in Zukunft durchaus noch Bürohäuser geben – »Angestellte werden so etwas wie eine Homebase haben, |85| aber sie sitzen da nicht mehr den ganzen Tag, schon gar nicht 9-to-5. Sondern oftmals viel kürzer, oft auch viel länger, oft
gar nicht.« Bürohäuser werden in Zukunft in erster Linie Kommunikationsorte sein. Bauer: »Warum geht man da hin? Nicht um
sein Notebook aufzuklappen – das kann man überall –, sondern um Kollegen oder Geschäftspartner zu treffen.« Die besten Ideen
entstünden immer noch im Dialog und Austausch zwischen Menschen. Das geht zwar oft besser zeit- und ortsunabhängig über kollaborative
digitale Techniken. Aber, so Bauer, »wenn’s ans Eingemachte geht, gehört Vertrauen dazu«. Das wiederum hat viel mit kennen
lernen zu tun und dazu bedarf es dann manchmal doch wieder der physischen Präsenz. Was heißt all das für die Art, wie wir
künftig arbeiten werden?
Wie genau ändert sich dadurch unsere Art zu arbeiten?
Wilhelm Bauer: In drei Dimensionen: Es gibt die zeitliche und die strukturelle Flexibilisierung der Arbeit – immer mehr Teamarbeit, Kooperation,
Netzwerke. Und drittens die räumliche Flexibilisierung von Arbeit, also Arbeit an verschiedenen Orten. Wir sehen immer mehr
flexible Formen von Arbeit, die vor allem das kreative und innovationsorientierte Miteinander von Menschen unterstützen. Wissensarbeit
hat die Grenzen der Büros längst verlassen. Sie ist mobil, findet überall statt: in Lounges am Flughafen oder Bahnhof, zunehmend
aber auch zu Hause.
Ist es demnach altmodisch, noch jeden Tag acht Stunden ins Büro zu
gehen?
Bauer: Der 9-to-5-Arbeitstag – in Deutschland geht er traditionell vielleicht eher von acht bis 16.30 Uhr – ist klar ein Auslaufmodell.
Durch Vernetzung und Teamorientierung ist in vielen Firmen das Büro nicht mehr die Entsprechung unserer Arbeit. Das gilt längst
nicht mehr nur für Manager und klassische Kreative. Vor zwanzig Jahren kannte man eine solche Arbeitsweise eher im Vertrieb,
heute erleben wir sie fast überall. Ein Beispiel: Die Mitarbeiter des Mercedes Technology Centers in Sindelfingen sind mal
im Büro, mal im Labor, mal bei Entwicklungspartnern, mal in Besprechungen. Sie gehen über die Straße und treffen sich mit
Dienstleistern, die ihre Firmen neben dem Daimler-Gelände haben. Sie machen abends länger, weil sie mit ihren Kollegen in
Singapur und Los Angeles telefonieren. Sie sind aber auch kontinuierlich in der Welt unterwegs.
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Das sind arbeitspraktische Gründe. Was ist mit den individuellen
menschlichen?
Bauer: Die Menschen können ihr volles Leistungsvermögen dann entfalten, wenn sie reizvolle, anspruchsvolle und zugleich komplexe
Aufgabenstellungen vorfinden. Hierzu ist es notwendig, dass Mitarbeiter über ein ausreichendes Maß an Selbstbestimmung, Selbstorganisation
und die entsprechenden Handlungsspielräume verfügen. Es gibt Tag- und Nachttypen, es gibt Menschen, die lieber am Sonntag
arbeiten, weil sie sagen, da
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