Morgen komm ich später rein
ist ja eh nichts los, da habe ich lieber mal unter der Woche frei. All das kann man bei flexiblen
Organisationsmodellen berücksichtigen.
Wer in der Produktion oder als Verkäufer arbeitet, kann seinen Arbeitsplatz
schlecht beliebig verlassen, auch Fluglotsen sollten zum Beispiel
besser vor Ort sein. Für wen gilt diese flexible Arbeitsweise eigentlich?
Bauer: Prognosen gehen davon aus, dass sich in den nächsten vier bis fünf Jahren die Anzahl der Beschäftigten, die regelmäßig Telearbeit
durchführen, etwa verdoppeln wird. In einzelnen Ländern Europas – wie Schweden oder den Niederlanden – wird bis dahin schon
jeder Vierte eine solche Arbeitsform wählen. Eine globale McKinsey-Studie von 2006 zeigt, dass so genannte komplexe Tätigkeiten
– also keine Sachbearbeitung – in entwickelten Ländern wie Deutschland, den USA oder Großbritannien bereits jetzt 35 bis 45
Prozent aller Jobs ausmachen und dass ihr Anteil wächst. Wir sprechen also von bald der Hälfte aller Beschäftigten, die so
flexibel arbeiten können. Beispiele wären Vertrieb, Softwareentwicklung, Marketing, Strategieabteilungen, Forschung und Entwicklung.
Sogar öffentliche Verwaltungen denken über mehr Bürgernähe durch Flexibilisierung nach. Der klassische Sachbearbeiter wird
immer weniger gebraucht, weil Prozesse rationalisiert, durch Technologie ersetzt oder beschleunigt werden.
Was heißt all dies ganz praktisch für mich als Arbeitnehmer?
Bauer: Die Arbeit kommt zu Ihnen. Die Funknetze und breitbandigen Netze, die wir heute überall auf der Welt haben, ermöglichen das.
Das Web ist immer mehr die Arbeitswelt, weil es den Zugriff auf Daten ermöglicht – und das ist die Voraussetzung von Wissensarbeit.
Dafür brauchen Sie heute nicht mehr eine Steckdose in einem Gebäude, wo sich der einzige Zugang zu den Daten befindet, sondern
Sie haben diesen Zugang per Laptop und Handy von überall.
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Das bedeutet auch ein besseres Gleichgewicht zwischen Arbeit und Freizeit
?
Bauer: Auf jeden Fall. Man kann zum Surfen gehen, wenn der Wind bläst und nicht wenn die Stempeluhr es zulässt. Man kann dann arbeiten,
wenn man dazu richtig Lust hat, wenn es gerade gut läuft oder wenn es eben viel zu tun gibt. Voraussetzung dafür ist, dass
man sich selbst gut organisiert. Das ist ein fundamentaler Paradigmenwechsel: Ich arbeite mit wem, wann und wo ich will.
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Wie verbreitet ist die Easy Economy?
Quasi unbemerkt haben sich flexible Arbeitsformen auch bei uns immer mehr verbreitet. Nach Berechnungen des Instituts der
deutschen Wirtschaft (IW) von 2006 wird Telearbeit von 18,5 Prozent der deutschen Unternehmen angeboten – 2003 waren es noch
7,8 Prozent, 2000 erst 4 Prozent. Diese Zahlen basieren auf der Befragung von Geschäftsführern und Personalverantwortlichen
der Unternehmen selbst, sind also mit etwas Vorsicht zu genießen. In Dienstleistungsbetrieben und Industrieunternehmen ist
Telearbeit am weitesten verbreitet. Spitzenreiter sind das Versicherungsgewerbe und Software-Hersteller. Großunternehmen praktizieren
Telearbeit am häufigsten – laut einer Umfrage der Deutschen Industrie- und Handelskammer von 2004 gut jeder vierte Großbetrieb
mit mehr als 1 000 Beschäftigten. Aber auch jedes 15. Kleinstunternehmen mit weniger als zehn Beschäftigten.
Die Europäische Union kommt im Sibis-Projekt (Statistical Indicators Benchmarking the Information Society) auf ähnliche Zahlen
wie das IW: Hier überschlagen die Forscher auf der Basis von Umfragen unter Arbeitnehmern und IT-Verantwortlichen in Unternehmen,
dass die Quote der Telearbeiter in Deutschland bei 17 Prozent liege. EU-weit sind es im Schnitt 7 Prozent, die von zu Hause
aus und 4 Prozent, die mobil telearbeiten. Dramatisch mehr Arbeitnehmer würden allerdings gerne so leben: Satte zwei Drittel
aller Befragten sind an einer Form der Telearbeit interessiert. Immerhin 32 Prozent sind EU-weit der Meinung, dass ihr Job
dafür im Grunde auch in Frage |88| käme. Kein Wunder: Nahezu alle Jobs, bei denen der Arbeitnehmer täglich vorm Computer sitzt, sind heute räumlich und zeitlich
zu flexibilisieren. Und das werden immer mehr: 2004 arbeiteten schon 59 Prozent der 35,3 Millionen abhängig Beschäftigten
in Deutschland mit einem Computer – in der Altergruppe der 30–44-Jährigen sogar 63 Prozent. IW-Mitarbeiterin Christiane Flüter-Hoffman
berichtet im Interview, dass »sich Telearbeit längst noch nicht so
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