Morgen komm ich später rein
Luxusanwesen leistete und mit den fünf
Millionen, die er heute noch besitzt, angeblich die siebenstellige Hypothek kaum abzahlen kann: »Aber dann gesteht man die
Niederlage ein. Niemand will sich zurückbewegen.« Also arbeitet er 60 bis 70 Stunden pro Woche. Ein Marathon ohne Zieleinlauf:
»Die obersten 10 Prozent jagen hier die obersten 0,1 Prozent und die wiederum sind den obersten 0,01 Prozent auf den Fersen.«
Die armen Millionäre von Silicon Valley sollen nicht das Klischee des unglücklichen Reichen bedienen. Sie stehen vielmehr
beispielhaft für eine Rechnung, die jeder von uns für sich aufmachen sollte, wenn es um das Verhältnis von Arbeit und persönlichem
Glück geht: Es ist das Prinzip des relativen Einkommens und das Konzept |120| von Zeit als Währung. Wären Sie glücklicher, wenn Sie reich wären? Eine aktuelle Metastudie von Wirtschafts-Nobelpreisträger
Daniel Kahneman sagt: vermutlich nicht. »Wenn Sie eine Sache oder einen Status Quo lange genug haben, dann gilt Ihnen der
neue Zustand meistens als Normalmaß. Er löst keine besondere Freude mehr aus und auch kein besonders Leid«, erklärt Uwe Jean
Heuser, Wirtschaftsressortleiter der
ZEIT
und früher Student bei Kahneman in seinem lesenswerten Buch
Humanomics
das Phänomen: »Der Stand der Dinge wird zum neuen Nullpunkt oder Referenzpunkt unseres Wertens. Dieser bestimmt dann, was
künftig als Gewinn und was als Verlust zählt und wie wir uns verhalten, wenn nun entweder ein Mehr lockt oder ein Weniger
droht.«
Das jährliche Einkommen trägt weniger zum Glücksgefühl bei als man gemeinhin denkt. Mehr Geld hat nur einen kurzzeitigen positiven
Effekt auf unser subjektives Glücksgefühl, weil wir uns schnell neue Vergleichsgrößen suchen – sprich: Personen, die noch
mehr verdienen oder besitzen als wir – und weil wir mehr Geld in der Regel zum Konsum von Produkten nutzen. Diese aber haben
laut Studie erst recht keinen nachhaltigen Einfluss darauf, wie zufrieden wir sind. Gleichzeitig betont Kahneman, dass Menschen
mit hohem Einkommen durch die Art und Weise, in der sie ihre Zeit verbringen, tendenziell angespannter und gestresster sind
als weniger wohlhabende Zeitgenossen. Und die Art und Weise der Zeit- und Lebensgestaltung hat – anders als das Einkommen
– in der Tat einen nachweislich großen Effekt auf individuelles Glücksempfinden.
Das Team um Kahneman rät folglich, die weit verbreitete Fehleinschätzung zu überdenken, dass es eine starke Verbindung zwischen
dem Einkommen und dem generellen Glücksgefühl oder erlebten Glücksmomenten gibt. Sonst verschwendet man womöglich zuviel seiner
Zeit mit der Jagd nach dem großen Geld, statt zum Beispiel persönliche Kontakte zu knüpfen oder zu pflegen – Aktivitäten,
die nachweislich stark zum Glück beitragen. Im Zweifel sollten wir also in der nächsten Gehaltsverhandlung eher nach mehr
Freizeit als nach mehr Geld fragen.
Aber haben wir nicht heute viel mehr Freizeit als frühere Generationen, |121| die 14 Stunden pro Tag auf dem Acker oder am Webstuhl schuften mussten? Leben wir nicht längst in einem Paradies aus mehr
Gehalt und längeren Urlauben als früher? Nicht ganz, denn die Faktoren Einkommen und Freizeit hängen tatsächlich voneinander
ab: Der Ökonom Steven Landsburg hat belegt, dass die größten Zugewinne an Freizeit jene Menschen mit stagnierenden Einkommen
verzeichnet haben – also die eher schlecht oder gar nicht ausgebildeten. Auf der anderen Seite haben die am höchsten qualifizierten
Arbeitnehmer, jene mit den höchsten Einkommenssteigerungen, den geringsten Zuwachs an Freizeit. Müssen wir uns also entscheiden:
Macht uns das neue Auto glücklich oder mehr Zeit mit den Freunden? Zum Glück gibt es eine pragmatischere Sichtweise auf das
Problem: Wir dürfen Zeit und Geld nicht als unterschiedliche Kategorien sehen, die sich ausschließen, sondern eher wie kommunizierende
Röhren. Die alte Redewendung »Zeit ist Geld« stimmt ja – wir müssen sie nur ernst nehmen und für unsere Zwecke nutzen.
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Relatives Einkommen und Zeit als Währung
Der amerikanische Internet-Stratege Randy Komisar schrieb zur Hochzeit der New Economy, nach Jahren als Geschäftführer, Vorstand
und Gründer von Firmen wie LucasArts, Claris und TiVo das Buch
Der Mönch und das Rätsel
. In diesem trotz seines Titels angenehm unesoterischen Werk erzählt er von seinen Motorradfahrten durch Myanmar und
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