Morgen komm ich später rein
zurückkam, hatte ich ganz oft das Gefühl: Und was ist mit meinem Leben?
Gehen Sie gar nicht mehr ins Büro?
Lang: Doch, etwa alle vier Tage für Konferenzen. Die sind jetzt auch viel konzentrierter und effektiver geworden. Als ich noch
im Büro saß, haben wir manchmal jeden Tag ein Meeting gemacht. Ich habe immer gedacht: Lasst mich doch auch mal arbeiten.
War Ihre Zeit im Büro also vergeudet, Frau Lang?
Lang: Nein, dadurch, dass ich schon ein paar Monate vor Ort im Büro war, kannte ich die Abläufe, wusste, wer wofür zuständig ist,
welche Sitzungen so wichtig sind, dass ich daran teilnehmen will. Wenn man die Kollegen kennt, vertraut man sich gegenseitig
mehr, geht auch am Telefon oder per E-Mail offener miteinander um.
|118| Schulte: Wir legen auf so eine Einarbeitungsphase großen Wert, aber im Grunde reicht eine Woche, dann sind die Leute fit.
Ist diese flexible, mobile Arbeitsweise für Sie beide jetzt Normalität?
Lang: Den Mythos, man müsste für den Teamspirit immer im Büro sein und am besten noch mit den Kollegen jeden Abend ein Feierabendbier
trinken, den fand ich immer schon überschätzt. Man braucht doch auch sein eigenes Leben. Andererseits ist es wichtig sich
zu vernetzen. Am besten ist für die meisten vielleicht ein Kompromiss: zwei Tage im Büro, drei Tage zu Hause.
Schulte: Gerade für manche kreative Prozesse braucht man schon den persönlichen Austausch – ein Brainstorming über Ideen funktioniert
am Telefon nicht so gut. Ich denke auch, die Zukunft wird sein: Zwei Tage im Büro, drei Tage zu Hause. Oder sogar ein Tag
im Büro, vier zu Hause …
Können Sie Ihre jetzige Unabhängigkeit vom Büro noch steigern?
Lang: Theoretisch könnte ich wegziehen und trotzdem den Job behalten. Es gibt ja Videokonferenzen und die Arbeit könnte ich auch
aus der Provence machen – schöner Gedanke eigentlich. Grundsätzlich müssen Arbeitnehmer heute ihre Standorte nicht mehr so
fixieren. Du musst dich nicht für eine Stadt entscheiden, weil dort die Leute sitzen, die du brauchst. Sondern die sitzen
in der ganzen Welt und du kannst sie einfach zu dir nehmen, gerade als Wissensarbeiter.
Ein pragmatisches Beispiel jenseits utopischer Heilsversprechen und technischer Phantasiewelten. Wir sehen: Die neuen Freiangestellten
gibt es bereits hier und da. Für sie gilt die einfache Gleichung: flexibler arbeiten = effizienter arbeiten = weniger arbeiten
= höhere Lebensqualität. Das Gegenteil solcher lebensnaher und alltagspraktischer Konstruktionen sind jene Menschen, die sehr
viel Geld verdienen, dafür aber auch übermäßig viel arbeiten müssen und das Büro eigentlich gar nicht mehr verlassen – in
dem fundamentalen Irrtum, sich dadurch Glück zu erkaufen. Warum in solchen Fällen Arbeit und Leben eindeutig aus der Balance
geraten, weshalb auch Zeit eine Währung ist und wie Wissenschaftler diese im Vergleich zu unserem Einkommen quantifizieren,
soll im Folgenden gezeigt werden.
119
121
119
121
false
|119| Die armen Millionäre von Silicon Valley
Hal Steger könnte einem leidtun: Er sitzt jeden Morgen um sieben an seinem Schreibtisch, arbeitet als Marketingchef für ein
Startup-Unternehmen in Silicon Valley in der Regel zwölf Stunden pro Tag und am Wochenende noch mal zehn Stunden. Der 51-Jährige
– das muss man dazu wissen – ist reich. Er hat zwei Millionen Dollar auf der Bank, das 1,3-Millionen-Dollar-Haus mit Meerblick,
in dem er mit seiner Frau lebt, ist abgezahlt. Damit gehört das Paar zu den bestverdienenden 2 Prozent aller amerikanischen
Familien. »Ich weiß, dass sich Menschen, die das von außen betrachten, fragen, weshalb jemand wie ich weiterhin so hart arbeitet«,
erzählt Steger der
New
York Times
Ende 2007. »Aber ein paar Millionen reichen nicht mehr so weit wie früher. In den siebziger Jahren bedeuteten ein paar Millionen
Dollar vielleicht noch, wie die Reichen und Berühmten in einem großen Haus mit Butler zu leben. Aber das ist heute anders.«
Steger ist nicht allein. Im Silicon Valley leben einige Zehntausend einstellige Dollarmillionäre, schätzt die
New York Times
, fast alle haben aufreibende Jobs. Teils, weil die Arbeit ihnen ein Gefühl von Befriedigung gibt, teils weil sie denken,
sie müssten mit der noblen Nachbarschaft mithalten. »Wir könnten umziehen«, sagt Stegers Nachbar Umberto Miletti, der auf
dem Höhepunkt der New Economy 50 Millionen Dollar an Firmenanteilen hatte, sich ein
Weitere Kostenlose Bücher