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Morgen letzter Tag!

Morgen letzter Tag!

Titel: Morgen letzter Tag! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Süß
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missglückt bezeichnen muss. Dennoch, gemeinsam mit dem Verlag hat der Autor nach einem Titel gesucht, der genügend » catchy« ist, um Ihre Aufmerksamkeit zu erregen. Viel ist über das Cover nachgedacht worden. Es sollte ansprechend sein, attraktiv im wahrsten Sinne des Wortes, damit es aus der Unzahl der vergleichbaren Produkte herausragt. Unstrittig erschien allen, dass ein Foto des Autors auf das Cover soll, um seine mittelprächtige Prominenz zu verwenden, damit Sie dieses Buch aus dem Meer der Angebote herausgreifen. Wohlgemerkt, um es zu kaufen. Ob Sie es auch lesen, ist schon eine Luxusfrage, freilich eine, die den Autor während des Schreibens immerzu beschäftigt hat. Ständig lag er sich und anderen mit Fragen in den Ohren, ob das Geschriebene auch verständlich genug, witzig genug, interessant genug, relevant genug sei. Eine Frage des Ethos von einem, der schreibt, um Kontakt zum Leser herzustellen. Weil er meint, dass das, was er zu sagen hat, für dessen Leben– ein Leben übrigens, über das der Autor nichts weiß und auch nichts wissen kann– relevant genug sei, um ihn dazu zu bekommen, das Buch zu kaufen. Aber– machen wir uns nichts vor– das ist die Hauptsache: Sie sollen konsumieren. Sie sollen ein Produkt kaufen, das sich paradoxerweise gegen mehr Konsum ausspricht und Sie auffordert, mehr als nur ein Konsument sein zu wollen. Also, man könnte an dieser Stelle schon wieder Schluss machen.
    Das Projekt abblasen.
    Einpacken.
    Kinder, das wird nichts.
    So geht das nicht.
    Nur, wie ginge es anders?
    Eines der ganz großen Vorhaben, dem Kapitalismus ein Schnippchen zu schlagen, war in den 90 er-Jahren des letzten Jahrhunderts versucht worden. In Seattle bildete sich eine Musikszene mitsamt dazugehöriger Jugendbewegung, die sich nicht bewegen wollte. Die Kinder wollten nämlich nichts kaufen. Sie zogen sich die alten Holzfällerhemden von Opa an, die nach dessen Ableben ungenutzt im Schrank hingen, ließen sich die Haare sogar im Gesicht wachsen und verschanzten sich solchermaßen verunstaltet in den verwaisten Partyräumen ihrer Eltern, um dort zu schmollen.
    Die Bands, die das Lebensgefühl dieser konsumophoben Kinder besangen, schmollten vor.
    Das Publikum schmollte nach.
    Aber keiner kaufte was. Eine echte Attacke auf den Konsumwahn.
    Doch kurz nachdem kundige Jugendbewegungsverorter, die von großen Konzernen angestellt werden, um den mäandernden Trends der Adoleszierenden auf den Fersen zu bleiben, von dieser Bewegung der gemeinsamen Passivität erfahren hatten, gab es die Holzfällerhemden für teures Geld in allen Boutiquen der Welt zu kaufen. Und Langhaarfrisuren nebst dazugehörendem Ziegenbart wurden von modebewussten Coiffeuren liebevoll eingefettet, um den jugendlichen Rebellen des » Grunge« ästhetisch den letzten Schliff zu geben. Die zerrissenen und abgenutzten Jeans der Kids gab es » stonewashed« (also in simuliert gebrauchtem Zustand) zu kaufen. Und die Bands, die das misanthropische Lebensgefühl der antikapitalistisch gestimmten Kinder in die Welt hinausrotzten, wurden Multimillionäre. Kurz– die Rebellion war gescheitert und von der großen breiten Massenkultur eingemeindet worden.
    Nun, man sollte meinen, spätestens seit sich das Antlitz des kubanischen Revolutionsführers Che Guevara geschmeidig auf olivgrüne Designer-T-Shirts fügt, echauffiere sich niemand mehr über so eine Antinomie.
    Ich aber bin immer noch ein Anhänger einer gewissen weltanschaulichen Stimmigkeit. Und also versuche ich ein Buch zu verkaufen, das den Verkauf von Sachen generell kritisch bewertet. Dabei ist mir freilich klar, dass all das, was in dem Buch geschrieben steht, nur dann irgendeine– wie auch immer geartete– Wirkung zeitigen kann, wenn sehr viele meiner Bücher verkauft werden. Auf der anderen Seite werde ich mich im Folgenden jedoch öfter gegen das » sehr viel« und » immer mehr« aussprechen. Das Ganze ist ein Paradox: Nur wenn das Buch ideologisch scheitert, also im kapitalistischen Sinne ein Erfolg wird, hat es die Möglichkeit, als » Kritik« wirksam zu werden.
    Hätte der Autor also auf sein ohnehin eitles Projekt verzichten sollen, ebenso wie Sie darauf verzichten sollten, weiter in dem Buch zu lesen?
    Sollte man stattdessen nicht besser auf die Straße gehen, um seinen Unmut über die Verhältnisse als » Wutbürger« kundzutun? Sicher, auf einem Transparent, das man auf einer Demo mitführt, kann man kaum einen komplexen Gedanken entwickeln, aber ist nicht schon

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