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Morgen letzter Tag!

Morgen letzter Tag!

Titel: Morgen letzter Tag! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Süß
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unter dem Vorzeichen des asymmetrischen Verhältnisses von Kunde und Produzent abzulaufen hat. Versuchen wir doch miteinander so eine Art von Bund einzugehen. Ich denke nach und trage vor, Sie denken nach und tragen mir dann nichts nach, sondern wiederum Ihrerseits vor. Ihren Freunden. Und die denken dann wieder nach. Und immer so weiter.
    Versuchen Sie also die Ware, die Sie in Händen halten, nicht für eine solche zu halten, sondern mehr für so etwas Altmodisches wie einen Brief eines besorgten und verwirrten Freundes, der seine Gedanken vor Ihnen ausbreitet, in der stillen Hoffnung, Sie mögen für die Fragen, die er aufwirft, bessere Antworten finden als er. Sonst könnte es sein, dass sich in naher Zukunft schon herausstellt, der einzige Wert dieses Buches liegt in seinem Brennwert. Und die einzig relevante Frage für künftige Generationen ist: Reicht dieser Brennwert aus, um einen toten Hund zu grillen?

1. Vorhang – Die Geschichte vom Weltuntergang
    » Jemand schreit, jemand schimpft. Ein Mann und eine Frau streiten sich, der Mann will anscheinend dieFrauverlassen. Die Frau wimmert. Eine Scheibe klirrt. Jemand reißt eine Tür auf. Jemandfällt herunter. Dann Stille. Dann eine Männerstimme: Da war ja gar kein Balkon!«
    Tankred Dorst, »Merlin oder Das wüste Land«

Weltuntergang– wann klappt’s denn endlich?
    In unserer Welt, die gern aus alter Gewohnheit als » die westliche« bezeichnet wird, was allerdings spätestens seitdem man herausgefunden hat, dass die Erde keine Scheibe, sondern eine Kugel ist, mindestens als gedankliche Schludrigkeit zu tadeln wäre, kommt doch immerhin jeder, der auf einer Kugel nach Westen geht, auch irgendwann nach Osten; in dieser Welt also ist es nun schon seit Jahrhunderten, gar Jahrtausenden Usus, ihren nahen Untergang herbeizuunken. Und wer als Bewohner dieses sogenannten Westens in Wort und Schrift über das nahe Ende der ebenfalls schludrigerweise » westlich« genannten Zivilisation menetekelt, darf sich sogleich in eine lange Tradition eingereiht sehen.
    Meist wurde und wird der grantelnde Gott bemüht, der, des sündigen Treibens seiner Schöpfung müde, droht, demnächst wahlweise durch Sintfluten, Feuer, Heuschrecken, Pest, Todesengel oder sonst eine Scheußlichkeit die Erde zu entvölkern. Erschöpfung der göttlichen Geduld mit der Schöpfung also, inklusive Strafgericht für die besonders schweren Fälle. Wenn allerdings Sünde vererbt werden kann, ist freilich keiner frei von Schuld. Eine schaurig-schöne Vorstellung, die die Sünder das Gruseln lehren und sie läutern sollte. Was wohl auch immer wieder mal für einzelne Gruppen phasenweise funktioniert hat; doch schlussendlich musste man das Ende immer wieder enttäuscht auf ein ungewisses Später verschieben. Vom Berggipfel, auf dem man demütig den Zorn des Herrn erwartete, gedemütigt wieder hinabsteigen.
    Die himmlische Abrechnung lässt bislang auf sich warten.
    Gut, nicht aufgeben. Kann ja alles noch kommen.
    Doch nicht nur Gott wurde bemüht, um Läuterungsempfehlungen an all diejenigen auszusprechen, die noch nicht bemerkt haben sollten, dass sich das Ende ankündigte. Auch bei den– in theologischen Fragen oft recht flexibel scheinenden– Griechen und Römern wurde regelmäßig der nahe Untergang verkündet. Nicht unbedingt gleich der ganzen Welt, aber doch zumindest eines Teils der Welt, nämlich jenes Teils, den man mit Recht als solche bezeichnen konnte, der eigenen Welt nämlich, also der zivilisierten. Schuld waren aber auch hier moralische Verfehlungen. Mangelnder Gehorsam der Jugend, sexuelle Unzuverlässigkeit und sinnleere Genusssucht der Bevölkerung– dieses als unschön empfundene Ermüdungsgemisch wurde allzu meist als Grund für das sich abzeichnende Ende angeführt.
    » O tempora! O mores!«, soll der beredte Cicero ausgerufen haben, um öffentlich über den offensichtlichen Niedergang der römischen Kultur kopfzuschütteln. Heute kennen wir das unter dem Begriff » spätrömische Dekadenz«. Als diese Dekadenz aber ihre ersten Höhepunkte hatte (in diesem Zusammenhang ein doppeldeutiger Begriff), da zog sich das mit dem Niedergang dann doch noch hin. Das Römische Reich bestand dann noch gut ein halbes Jahrtausend. Für die Menschen, die sich damals in diesem » spätrömischen« Reich tummelten, muss es sich ganz stabil angefühlt haben. Aber was wussten die schon, diese Verblendeten! Immerhin hatten die Mahner am Ende recht behalten.
    Man muss nur Geduld haben.

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