Morgen letzter Tag!
erhalten und die wir dennoch als lustvoll empfinden, die aber lassen sich allesamt in die Kategorie Sex einordnen. Wenn wir Dinge tun, die offensiv unvernünftig sind, dann deswegen, weil mit dem Sex die Konkurrenz in die Welt gekommen ist. Wir konkurrieren um Partner und machen deswegen mitunter lebensbedrohliche Dinge, um potenzielle Partner zu beeindrucken. Deswegen versuchen wir, in der Hierarchie möglichst weit nach oben zu kommen, weil Macht attraktiv macht. Das wäre jetzt so grob das Programm von Wilhelm Reich. Aber man kann das auch umdrehen und behaupten, das allem zugrunde liegende Bedürfnis sei Macht. Dann üben wir eben Sex aus, um mächtig zu werden. So oder so. Im Ergebnis ist es gleich.
Und zu guter Letzt erzeugen wir Kultur im weitesten Sinne, um mit dem Phänomen des Todes umzugehen. Die Kultur ist gegen den Tod gebaut. Wer keinen Tod kennt, kennt auch keine Kultur. Wozu? Sie hätte keinen Sinn. So gesehen, verfügen die Menschen des Prometheus über überhaupt keinen Sinn. Sie sind bloße Existenz. Keine Gefühle, keine Leidenschaften, kein Streben. Hat Prometheus also mit einem von den griechischen Philosophen angestrebten Endzustand angefangen?
Die Erfinder des Mythos stellten diesen für wünschenswert scheinenden Endzustand an den Anfang der Geschichte der Menschheit, um zu erklären, warum sie so eine Sehnsucht danach haben. Und diese Sehnsucht ist eben das, was blieb, nachdem Göttervater Zeus dieser runden Zufriedenheit durch die » Allesgeberin« ein Ende gemacht hatte. Tatsächlich aber hat Zeus der Menschheit nicht nur die Plagen aufgebürdet, oh nein, um sie im Dasein zu halten, hat er ihnen mit der Maßnahme » Hoffnung« tatsächlich erst den Sinn des Lebens mitgegeben.
Denn ohne das Werden und Vergehen gibt es keine Gefühle, die sich ja immer auf Werden und Vergehen beziehen, und ohne Gefühle wiederum kann es auch kein Gefühl von Sinnhaftigkeit geben. Der an sich völlig irrwitzige Gedanke der Unsterblichkeit, der ja allgemein dem » Geistigen« zugeordnet wird, entstammt ursprünglich dem Imperativ der Biologie » nicht sterben!« und also damit dem schlechthin Materialistischen. Der Körper gibt uns den Auftrag der Selbsterhaltung. Der Verstand aber muss das Werden und Vergehen bejahen.
Die Büchse der Pandora ist die Geschlechtlichkeit. Pandora ist das erste geschlechtlich definierte Wesen. Bei den Griechen selbstverständlich eine Frau, ganz noch dem Motto: No woman, no cry. Denn für die Griechen waren Frauen keine richtigen Menschen, sondern Störungen der Eitelkeit der Männer. Die wollten wunschlos sein, weil schon allein die Tatsache, dass man Bedürfnisse hat, darauf verweist, dass man nicht vollständig ist. Wer einen Wunsch hat, will etwas, wer etwas will, zeigt dadurch, dass ihm etwas fehlt. Der Ursprung allen Unglücks in den Augen der Griechen und von ihnen ausgehend ein zentrales musikalisches Thema im Denken des christlichen Abendlands. Tausend Mal durchexerziert in unterschiedlichster Orchestrierung. Dabei aber wurde vergessen, dass auch Lust, Glück und Erfüllung erst mit Pandora bei den runden Ödmenschen des Prometheus ankommen. Ich denke, alles das wird klarer, wenn man die Geschichte noch einmal erzählt, diesmal aber stufenweise.
Also, es war zunächst so, Zeus schickt Pandora mitsamt Büchse, und auf selbiger steht: Bitte nicht öffnen! Ein Scherz von Zeus, der weiß, wenn er seinen neurotischen Götterkollegen einen Streich spielen wollte, dann könnten sie einer solchen Versuchung niemals widerstehen. Die rationalen Kugelmenschen aber akzeptieren die Anweisung ohne den leisesten Hauch von Widerspruchsgeist. Sie nehmen Pandora bei sich auf, obwohl sie ihnen mit ihrer geschlechtlichen Eindeutigkeit unheimlich ist, und öden sie dann an.
Zeus bemerkt, dass das so nicht geht. Er ruft Pandora zurück, ändert die Aufschrift auf der Büchse zu » Bitte öffnen. Überraschung!« und schickt sie wieder zurück. Die Kugelmenschen mögen keine Überraschungen, auch wenn sie gar nicht richtig wissen, was das eigentlich sein soll. Klingt aber gefährlich und unvernünftig. Aber dem Gebot eines Gottes, dem sie in der Hierarchie unterstellt sind, zu widerstehen ist inakzeptabel, deswegen öffnen sie die Büchse. Heraus springen Tod, Not, Leid, Zahnweh, Zwangsneurosen und Behördenöffnungszeiten, Reality TV – also das volle Pogrom. Zeus freut sich diebisch über das Gelingen seins Plans. Oder besser, er tut so, als freue er sich– Götter kennen keine
Weitere Kostenlose Bücher