Morgen letzter Tag!
Rubrik » Spinner gibt’s immer« abheften und sich, je nach Charakter, belustigt oder angewidert abwenden, wenn dieses orchideenhaft anmutende Denken nicht so enorm einflussreich gewesen wäre und immer noch ist. Warum? Nun, weil das apokalyptische Denken und vor allem Fühlen eine Hintertür zur Aushebelung der wichtigsten Gebote in sowohl der christlichen, jüdischen und islamischen Religion wie auch im Buddhismus und Hinduismus darstellt, die alle fünfe ihrerseits wiederum die wichtigsten und einflussreichsten moralischen Beratungsinstanzen der Welt darstellen.
» Inwiefern Hintertür?«, werden Sie jetzt fragen, und ich möchte zur Erklärung eine Gegenfrage stellen. Wie ist es möglich, dass im Namen von Religionen, die die Liebe zu Gott und zum Nächsten, die Vergebung und die Gewaltlosigkeit als oberste unhintergehbare Gebote aufgestellt haben, über die Jahrhunderte unzählige Kriege, Pogrome und andere Gewaltausbrüche aller Art legitimiert und sogar angestiftet wurden? Die haben sich halt nicht an ihre Gebote gehalten, könnte man sagen, sie waren schwach im Glauben und haben sich versündigt. Das allerdings geht nur Ungläubigen so leicht über die Lippen. Wer seine Religion und das damit verbundene Weltbild ernst nimmt, der tut sich da schon deutlich schwerer, eine solche Häufung von schwersten Sünden als bloß eine Reihe von Verfehlungen einzuschätzen. In Europa war der Begriff des » Heiligen Krieges« vor dem ersten Millennium noch nicht erfunden. Er musste erst mühsam gedacht werden. (Der heilige Augustinus hat da schöne Vorarbeit geleistet. Halleluja.)
Speziell die Lehre Jesu ist wirklich total ungeeignet für die Rechtfertigung von Gewaltpolitik. Aber auch die anderen Religionen lassen es an Eindeutigkeit in ihrer Verurteilung der Gewalt und an Aufrufen zur Sanftmut nicht mangeln. Doch bleiben wir beim Christentum, da werden sich die meisten am besten auskennen. Äh, ich zumindest. Also: Andere Wange hinhalten. Den Feinden verzeihen. Sie sogar lieben. Den Nächsten auch lieben. Das ist eindeutig. Und es ist eindeutig etwas anderes, als den Nächsten mit der Streitaxt zu zerhacken. Da kann es zu keiner begrifflichen Verwechslung gekommen sein! Sicher, es gibt diese Stellen in den Evangelien, wenn Jesus im Tempel Randale macht oder an anderer Stelle sagt: » Wer kein Schwert hat, der kaufe ein Schwert.« Da ist es, als ob sich ein Fremdtext in den Gnadengeist der Evangelien geschummelt hätte. (Und tatsächlich vermuten einige Forscher, die Figur des Jesus sei eine literarische Verschmelzung von zwei unterschiedlichen spirituellen Führern der Essener-Sekte. Aber nix Genaues weiß man nicht.)
Dennoch: Ein Blutbad lässt sich schlecht zu einem Akt der Gnade oder Nächstenliebe umdeuten. Und die Liebe zum Nächsten und zu Gott sind die wichtigsten Gebote! Also, wie ging das? Und wie geht das heute? Des Rätsels Lösung findet sich (bei den Christen) im letzten Kapitel der Bibel in der Offenbarung des Johannes. Der Jesus, der dort zurückkommt, hat mit dem Gnadenmann der vorherigen Evangelien nichts mehr zu tun. No more Mister Passive Resistance! Da wird nicht mehr vergeben, nicht mehr geliebt und auch nicht mehr geheilt.
Abb. 2: Also nicht, dass Gandalf nicht ein extraprima Ork-Abschlachter und Streiter für das Gute wäre, aber würden Sie ihn wirklich religiös verehren wollen?
Hören wir mal rein: » Seine Augen waren wie Feuerflammen, und auf seinem Haupt trug er viele Diademe … Bekleidet war er mit einem blutgetränkten Gewand … Aus seinem Mund kam ein scharfes Schwert; mit ihm wird er die Völker schlagen. Und er herrscht über sie mit eisernem Zepter, und er tritt die Kelter des Weines, des rächenden Zornes Gottes, des Herrschers über die ganze Schöpfung. Auf seinem Gewand und auf seiner Hüfte trägt er den Namen: König der Könige und Herr der Herren.« (Offenbarung 19 , 12 – 16 ) Okay, das klingt gruselig. Schwert kommt aus dem Mund. Eisernes Zepter. Rächender Zorn Gottes. Da hat man nicht das Gefühl, man könnte, wenn man um Vergebung fleht, noch einmal mit einer Verwarnung davonkommen. Und genau so ist es auch. Hören wir weiter: » Er rief mit lauter Stimme allen Vögeln zu, die hoch am Himmel flogen: Kommt her, versammelt euch zum großen Mahl Gottes. Fresst Fleisch von Königen, von Heerführern und von Helden, Fleisch von Pferden und ihren Reitern, Fleisch von allen, von Freien und von Sklaven, von Großen und von Kleinen« (Offenbarung 19 , 18 f.). Hier sind
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