Morgen letzter Tag!
weiterhin, dass mehr jüngere als alte Menschen an die Hölle und den Teufel glauben.« (Victor Trimondi, »Krieg der Religionen«, München 2006) Besonders die letzte Information ist spannend. Warum glauben die Jungen eher an den Teufel als die Alten? Weil das Bildungssystem so konsequent versagt hat? Eine Möglichkeit. Doch eine weitere Statistik bringt uns auf eine andere, noch beunruhigendere Spur: Laut »Time Magazine« sind 59 Prozent (zwei Drittel!) aller Amerikaner davon überzeugt, dass die in der Offenbarung beschriebenen Ereignisse dabei sind, sich zu realisieren. Im Jahr 1999 waren es noch 40 Prozent.Der Glaube – oder besser der Aberglaube – an die Endzeit, an den Teufel und seine Macht nimmt zu, und zwar genau zu dem Zeitpunkt, an dem immer klarer wird, dass selbst die Amerikaner nicht so weitermachen können. Umweltverschmutzung, Klimawandel, Ressourcenknappheit, Müllgebirge– selbst im amerikanischen Bible Belt, wo man geflissentlich weghört, kann man kaum nicht von diesen Dingen gehört haben. Und der Imperativ, der durch diese Diskurse immer klarer zutage tritt, lautet: Du musst dein Leben ändern. Du verbrauchst zu viel Energie. Du sonderst zu viel Dreck ab. Du bist der Klimaschaden.
Wenn man aber nun mal sein Leben nicht ändern will, dann gibt einem die radikale Vereinfachung der Endzeit-Fantasy-Welt eine schöne Legitimation, einfach so weiterzumachen wie bisher. Denn wenn der Heiland nächste Woche mit Macht zurückkommt, um die Seinen um sich zu scharen, dann braucht man jetzt auch nicht mehr mit dem Mülltrennen anzufangen, sondern kann den Hummer-Geländewagen noch mal volltanken. Die apokalyptische Matrix hilft also, der lästigen Pflicht auszuweichen, die wichtigsten Probleme in Angriff zu nehmen, die sich uns heute stellen. Man kann sich von der Zukunft abwenden und jede Art von Schulden machen, ökologische und ökonomische, weil man sie ja nie bezahlen muss, denn immerhin findet die Zukunft gar nicht mehr statt. Und dass die Endzeit kommt, steht eben nur im Widerspruch zur Verantwortung für die Zukunft, aber nicht dazu, riesige Autos zu fahren und unablässig shoppen zu gehen. Man muss das eigene Konsumverhalten nicht überprüfen. Der Glaube an die nahe Apokalypse zementiert also in Wahrheit den Status quo und produziert auf diese Weise die Voraussetzungen für die Apokalypse light. Also für den Untergang unserer Zivilisation durch den ökologischen und wirtschaftlichen Kollaps. Halleluja! Gepriesen sei der Herr.
So weit, so gut. Untersuchen wir in aller Kürze, was an der Endzeitmatrix dermaßen attraktiv ist.
Wir sollten uns zunächst fragen, was denn unsereiner so im Angebot hat, wenn es darum geht, mit unserer hochkomplexen Welt fertig zu werden. Wenn wir ehrlich sind, erbärmlich wenig. Wer die Komplexität der Verflechtungen von Wirtschaft, Umwelt, Technik, Politik und Marktmacht zu begreifen versucht, dem wird erst schwindlig und dann bekommt er von der Komplexität Komplexe. Eigentlich wird er handlungsunfähig, und zwar aus zweierlei Gründen. Erstens, weil schon ein banaler Gang zum Gemüsehändler zum moralischen Debakel mutiert, wenn man beim Einkauf Subventionen, Gerechtigkeit, Klimawandel, Migration und Ausbeutung mitdenkt. Der Imperativ lautet fast bei jedem Akt des Konsumierens: Lass es bleiben!
Doch ließe man es bleiben, oder besser, ließe es die Mehrheit bleiben, dann würde es der Wirtschaft schlecht ergehen, Menschen verlören ihre Arbeitsplätze, ihre Wohnungen etc.
Man hat also die Wahl: Soll man ein schlechtes Gewissen haben wegen einiger an der eigenen Peripherie liegender Ungerechtigkeiten (Umwelt, Ausbeutung, Klima)– oder weil man nicht genügend konsumiert hat? So oder so, man ist irgendwie schuld. Um also sein gebeuteltes Gewissen zu entlasten, sucht man nach Handlungsanweisungen, wie man wenigstens eher Teil der Lösung als Teil des Problems sein könnte, was an sich schon eine Minimalforderung darstellt. Und die » Lösungen« lauten dann:
Weniger Fleisch essen, weil die Fleischproduktion zu viel Fläche und Trinkwasser verbraucht und sich das Ozonloch wegen der Methanproduktion der Rindviecher vergrößert und so der Hunger derer am unteren Ende der Wirtschaftsskala wächst.
Man fährt mit dem Fahrrad, so es möglich ist, in der Stadt erweist es sich ohnehin meist als praktischer. Wenn man schon ein Auto hat, dann einen modernen Diesel, der ist am umweltfreundlichsten.
Man schraubt Energiesparbirnen ein, die einem mit ihrem Funzellicht
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