Morgen trauert Oxford
etwas läuten hören. Könnte sein, dass wir hier jemanden haben, der damit zu tun hat.«
»Könntest du mich der Dame bitte vorstellen?«
»Mal sehen, was ich tun kann.«
»Bald?«
»So bald wie möglich.«
»Prima. Und vielen Dank. Sehen wir uns am Wochenende?«
»Soviel ich weiß, ja.« Mit diesen Worten legte er auf.
Kate ermahnte sich, Liams Mangel an Interesse nicht allzu persönlich zu nehmen. Immerhin kamen sie zurzeit wunderbar miteinander aus. Sie hatte sich sogar überlegt, ihn zu fragen, ob er nicht zu ihr ziehen wollte – nun ja, wenigstens für ein paar Tage in der Woche. Das eben abgeschlossene Gespräch durfte sie höchstens als winzigen Stolperstein auf dem sonst so glatt verlaufenden Weg ihrer Beziehung ansehen. Wahrscheinlich hatte sie ihn mitten in einer wichtigen Lektüre erwischt. Auch sie selbst wurde leicht ungeduldig, wenn jemand sie bei der Arbeit unterbrach, und es gab keinen Grund, Liams Beruf für weniger wichtig zu halten als ihren eigenen. Doch so sehr sich Kate auch zu überzeugen versuchte, dass alles in bester Ordnung war – sie verspürte weiterhin eine gewisse Unzufriedenheit mit dem Verlauf des Gesprächs. Hätte er nicht ein wenig mehr Enthusiasmus für das gemeinsame Wochenende an den Tag legen können?
Liam Ross hatte gerade seinen Computer abgeschaltet und war dabei, einen Stapel studentischer Hausarbeiten zu korrigieren. Dabei summte er eine Passage eines Vivaldi Concertos. Es war Zeit für einen angenehm entspannenden Feierabend im Norden Oxfords. Gerade wollte er die Tür hinter sich abschließen, als das Telefon klingelte und er dieses unbefriedigende Gespräch mit Kate Ivory führen musste.
Vier Minuten später überquerte er den mit Clematis bewachsenen vorderen Innenhof, wo er sein Fahrrad abgestellt hatte. Als er das Schloss öffnete und langsam Richtung Norden strampelte, sang er nicht mehr.
In der ersten Etage befanden sich drei Schlafzimmer. Das Dachgeschoss war zu einem einzigen großen Raum ausgebaut, der offenbar als Werkstatt benutzt wurde. Im Erdgeschoss gab es eine Gästetoilette und im ersten Stock das Bad, wo Ant in das Haus eingedrungen war. Im Keller fand er einen mit Waschmaschine und Trockner ausgestatteten Wirtschaftsraum. Sehr gut. Allmählich wurde es höchste Zeit, einen Waschtag einzulegen: Die penetranten Ausdünstungen von Dimes Klamotten gingen Ant allmählich auf die Nerven.
Als Dime darum gebeten hatte, in die Familie aufgenommen zu werden, musste Ant ihn zunächst beiseite nehmen und ihm seine Vorstellung von persönlicher Hygiene erklären. Zwar hatte sich Dime durchaus bereitwillig gezeigt, Ants Ansprüchen zu genügen, verfügte allerdings nur über sehr spärliche Erfahrung, wie »Sauberkeit« zu riechen hatte. Eines Tages, nachdem Coffin in ihrer damaligen Bleibe ein Bad genommen und zum Waschen eine teure Rosenseife benutzt hatte, schnüffelte Dime an Coffins blassen Ohren und rief hingerissen: »Toll! Wirklich toll!« Coffin allerdings hatte ihn von sich geschubst. »Hau ab!« Doch auch nachdem Dime selbst gebadet hatte, roch er weiter nach altem Schweiß und den Fritten des Abends zuvor. Ant musste ihn nun noch davon überzeugen, dass man nach einem Bad tunlichst auch die Kleidung wechseln sollte.
Der Hausbesitzer schien Ants Vorstellung von Reinlichkeit nicht unbedingt zu teilen. Nicht nur, dass alles mit einer Staubschicht bedeckt war – auch die Treppe war offenkundig seit langer Zeit nicht mehr geputzt worden. Überall lagen Staubflocken und zerknüllte Tempos herum, und unter den Betten fand Ant ein paar vereinzelte Socken. Die Küche konnte sich einigermaßen sehen lassen, denn der Abwasch war gemacht, auch wenn der Herd seit mindestens zwei Jahren nicht mehr geputzt worden war. Angel würde das Bad gründlich putzen müssen. Ant ekelte sich vor Haaren im Bad und würde nie und nimmer in eine Wanne mit einem Schmutzrand steigen. Eigentlich müsste der Mann uns dankbar sein, dachte Ant. Wir werden das Haus sauberer verlassen, als wir es vorgefunden haben. Aber nicht zu sauber, ermahnte er sich. Wir wollen doch nicht, dass er argwöhnt, es könne einer im Haus gewesen sein. Ant hatte die Erfahrung gemacht, dass sich die meisten Leute nicht allzu genau an den Zustand ihrer Wohnung erinnerten, wenn sie auf Reisen gingen. Meistens fühlten sie sich unangenehm berührt, wenn sie heimkehrten – selbst nach kurzer Abwesenheit – und Schmutz vorfanden; dabei vergaßen sie völlig, dass sie eigentlich immer so lebten.
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