Morgen trauert Oxford
gehaust hätte? Hausbesetzer hätten doch wahrscheinlich einen wahren Saustall hinterlassen.«
»Ich muss zugeben, dass es sich bei dieser Gruppe um ausgesprochen ungewöhnliche Hausbesetzer handelt.«
»Habe ich Ihre Frage damit ausreichend beantwortet, oder wollen Sie noch mehr wissen?«
»Nicht, wenn Sie sicher sind, dass alles genau so ist, wie Sie es verlassen haben.« Wenn Paul weiter insistierte, würde er sich nur lächerlich machen.
Aus der Küche drang ein merkwürdiger Geruch.
»Könnte es vielleicht sein, dass Sie Ihren Toast unter dem Grill vergessen haben, Sir?«
»Verflixt, ich fürchte, Sie haben Recht.« Rory stürmte in die Küche, um seinen Toast zu retten. Paul hörte ein Kratzen, einen Mülleimerdeckel, der geöffnet wurde, und ein Scheppern, als er wieder zufiel. Er stellte sich die Spur aus schwärzlichen Krümeln vor, die jetzt durch die Küche führen würde.
Hier gab es nichts mehr für ihn zu tun. Wenn dem Besitzer keine Unregelmäßigkeit aufgefallen war, gab es keine Möglichkeit, auf einer Hausdurchsuchung zu bestehen. Allerdings wäre Paul sowieso jede Wette eingegangen, dass Ant, Gren, Coffin, Dime und Angel sämtliche Fingerabdrücke weggewischt hatten.
»Haben Sie in letzter Zeit im Garten Feuer gemacht, Sir?«
»Nein. Bisher bin ich noch nicht dazu gekommen, den Garten winterfest zu machen.«
»Aber Ihre Nachbarn wahrscheinlich schon.«
»Möglich. Ich habe nicht darauf geachtet.«
Paul stand auf. Draußen fragte er sich kurz, ob er wirklich das richtige Haus gefunden hatte. Nummer fünfundzwanzig. Die Straße war kurz; sie endete mit Nummer achtundvierzig, daher kam zweiundfünfzig nicht in Frage. Und das Straßenschild an der Ecke verkündete, dass die Straße Denton Road hieß. D wie Dime. Natürlich konnte er sich geirrt haben. Aber er glaubte es nicht. In diesem Haus hier hatten Ant, Dime, Gren, Coffin und Angel gewohnt. Und trotzdem konnte er es nicht beweisen; erst recht war es unmöglich, einem Mitglied der Gruppe den Mord anzuhängen.
Na gut, dachte er. Über dem Kopf von Dr. Liam Ross zitterte damit nach wie vor ein großes Fragezeichen.
Das geschah dem Kerl ganz recht.
Nach dem morgendlichen Füttern hatte Kate ein Blatt Papier zusammengeknüllt und für einen gewöhnlichen Arbeitstag viel zu lange mit der Katze gespielt. Jetzt lag die Katze erschöpft in einer Ecke des rosa Sofas, und Kate ging hinunter in ihr Arbeitszimmer.
Es war lange her, viel zu lange, dass sie ihr Buch eines Blickes gewürdigt hatte. Sie las eines der vorigen Kapitel und erinnerte sich wieder: Es war ganz gut geworden, aber viel zu vorhersehbar. Daran hatte sich auch nach mehreren Wochen nichts geändert. Ihre Abenteuer hatten keine neue Informationen geliefert. Weder ihr Eindringen noch das »Ausborgen« hatten ihr etwas geliefert, was sie nicht in jedem Standardwerk über das Thema nachlesen konnte.
Die Seiten aus dem Ternan-Manuskript, die sie fotokopiert hatte, lagen obenauf in einem Ordner. Sie nahm sie heraus und betrachtete sie. Da war Seite sechzehn, wo es um das Kind ging, dessen Kleider man gestohlen hatte, um es nackt und weinend nach Hause zu schicken. Aber was stand auf Seite dreiundvierzig? Mühsam arbeitete Kate sich durch den ersten Absatz.
Es ist sehr schwierig , in dieser Stadt angenehme Gesellschaft zu finden . Die Mitglieder der Universität wollen mit uns Handeltreibenden nichts zu tun haben , obwohl sie sich äußerst zufrieden unserer Produkte bedienen . Die Frauen der anderen Geschäftsleute wissen nicht das Geringste über das Leben außerhalb dieser Provinzstadt . Ich bin geradezu ausgehungert nach Gesellschaft , die meinen Ansprüchen genügt .
Kate konnte diese Sehnsucht wirklich gut verstehen, doch sie erfuhr nichts, was sie nicht bereits wusste. Wäre doch die gute Maria Susanna etwas weniger diskret gewesen! Manchmal argwöhnte Kate, dass sie ausgerechnet die beiden einzig langweiligen Seiten erwischt hatte. Wahrscheinlich war der gesamte Rest gespickt mit Indiskretionen über Nelly Ternan und Charles Dickens.
Es würde Monate, wenn nicht Jahre dauern, bis man das Manuskript auseinander geklaubt und einen Wissenschaftler gefunden hatte, der sich darum kümmern konnte. Für Kate und ihr Buch auf jeden Fall zu spät. Doch was war das für eine Passage, die Angel im Laden zitiert hatte? Sie konnte sich nicht mehr genau erinnern. Es ging um ein totes Baby. Konzentriere dich, Kate. Lausche auf Angels Stimme in deinem Kopf.
Das Kind ist tot und ich
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