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Morgen trauert Oxford

Morgen trauert Oxford

Titel: Morgen trauert Oxford Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronica Stallwood
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würde sie dieser widerwärtigen Fürsorge entfliehen. Doch im Augenblick brauchte sie die Familie noch und musste sich damit abfinden. Aber wenn sie wieder zu Kräften gekommen war, würde sie sie endlich hinter sich lassen können. Leider war sie jetzt noch von Ant abhängig, genau wie die anderen. Sie brauchten nichts anderes zu tun, als Ants Rückkehr abzuwarten. Ant würde jedes Problem lösen.
    Das Tageslicht wurde immer schwächer. Ant war noch nicht zurückgekehrt. Coffin hatte, wie es seine Art war, eine Flöte hervorgeholt und spielte eine sanfte, traurige, vermutlich irische Weise. Er hatte seine grüne Strickmütze bis unmittelbar über die vorspringenden Augenbrauen in die Stirn gezogen. Sein lockiges Haar krauste sich über den Ohren. Als er sah, dass Angel ihn betrachtete, grinste er sie an.
    »Wo hast du diesen Instrumentenkoffer her?«, fragte sie ihn, um etwas zu sagen.
    »Ich hatte mal eine Querflöte.«
    »Was ist damit passiert?«
    »Ich hatte Hunger und habe sie verkauft«, antwortete er.
    Angel wandte den Blick wieder ab.
    »Da kommt er«, verkündete Gren.
    Coffin spielte ein paar Takte »Conquering Hero«, ehe er wieder zu seiner traurigen Melodie zurückkehrte. Selbst Angel schaute hinter ihrem Haarvorhang zu, wie Ant den Hügel hinaufstapfte. Schon an seinem Gang konnte man erkennen, dass er bei der Haussuche erfolgreich gewesen war.
    »Und?«, erkundigte sich Gren, als Ant sie erreicht hatte.
    Ant nestelte den Schlüssel aus der Hosentasche und hielt ihn hoch. »Eure Zimmer warten schon auf euch«, sagte er.
    »Jetzt gleich?«, fragte Dime. »Können wir gehen?«
    »Ich habe Hunger«, stellte Gren fest.
    »Lasst uns noch ein paar Minuten warten«, schlug Ant vor. »Jetzt, wo die Sonne weg ist, wird es schnell dunkel.«
    »Im Dunkeln ist es besser«, stimmte Gren trotz seines nagenden Hungers zu. »Aber wir könnten schon mal unseren Kram zusammenpacken.«
    Irgendwie hatten sich ihre Habseligkeiten inzwischen über die ganze Wiese verbreitet und erweckten den Eindruck eines Zigeunerlagers. Alle fünf suchten gebückt ihre Sachen zusammen, stopften sie in Tüten, zogen ihre Pullover über und wickelten sich in Schals.
    »Scheint gut für Straßenmusiker zu sein«, sinnierte Coffin und blickte auf die Stadt hinunter. »Touristen.
    Studenten. Die sind manchmal richtig großzügig, die Studenten. Sie nehmen uns Straßenmusiker ernster als die gut situierten Alten.«
    »Manche sind aber auch Konkurrenz«, wandte Gren ein. »Wenn sie klassisches Zeug auf der Geige fiedeln oder so.«
    »Probieren können wir es auf jeden Fall«, sagte Ant. »Wenn wir sowieso ein paar Tage bleiben müssen, verdienen wir wenigstens was.«
    »Weißt du was?«, wandte sich Coffin an Ant. »Alles ginge viel besser, wenn ich einen Hund hätte.« Sie hatten schon oft darüber diskutiert.
    »Nein«, gab Ant kategorisch zurück.
    »Die Leute finden Hunde aber toll.« Gren unterstützte Coffin. »Sie bleiben stehen, streicheln ihnen den Kopf und geben dir dann noch fünfzig Pence zusätzlich für Hundefutter.«
    »Nein«, sagte Ant.
    Obwohl sie ihre Habseligkeiten inzwischen in Supermarkt-Plastiktüten verstaut hatten, belegten sie immer noch ein großes Stück Wiese im Park. Sie sahen zu, wie eine Frau ihr kleines Kind an die Hand nahm und ihr Baby im Buggy in weitem Bogen an ihnen vorüberschob. Doch während sie der Familie auswich, kam ihr braun-weiß gefleckter Spaniel auf sie zu und schnüffelte an den Tüten.
    »Komm mal her, mein Junge«, sagte Coffin und pfiff leise durch die Zähne. Der Hund steckte seine Nase in Coffins Ohr und leckte ihm das Kinn.
    »Warum machst du das?«, fragte Angel gereizt, als der Hund sich den anderen Familienmitgliedern zuwandte. »Du weißt doch, dass Ant niemals Hunde gestatten wird.« Sie wich dem Spaniel aus, der sie begrüßen wollte. »Hau ab, verdammter Köter!«, schnauzte sie ihn an.
    »Das war aber nicht nett«, rügte Coffin. Entschuldigend strich er dem Hund über die Ohren.
    »Verzeihung, Ant«, sagte Angel, noch ehe Dime sie an das Fluchverbot erinnern konnte.
    »Hier, Tanner! Bei Fuß! Tanner!« Die hohe, nervöse Stimme der Hundebesitzerin überschlug sich fast.
    Der Hund warf einen letzten, sehnsüchtigen Blick auf die Plastiktüten, hob am nächstgelegenen Busch das Bein und trottete hinter seinem Frauchen her.
    »Was machen wir eigentlich ohne das Auto?«, fragte Angel plötzlich. »Wie kommen wir nach Leicester?«
    »Keine Sorge«, beruhigte Dime sie. »Irgendwie

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