Morgen wirst Du frei sein (German Edition)
Jessica.«
Zecke sprang auf, machte sich am Kaffeekocher zu schaffen. »Weil sie nicht wusste, dass es mich gibt!«, rief er. Du hattest ihr doch verschwiegen, dass wir uns angefreundet haben, hast du gesagt, oder?«
»Stimmt.«
»Als sie erfuhr, dass ich von dem Mord an deiner Mutter weiß, war es längst zu spät. Ihr wird schnell klar geworden sein, dass ich nicht zu den Bullen gehen werde, allein, um dich zu schützen. Jessica wäre da vermutlich weniger logisch und rational vorgegangen. Sie hätte möglicherweise geglaubt, dass die Polizei einzuschalten das Richtige geworden wäre.«
Zecke füllte Wasser und Kaffeepulver in den Kocher, stellte ihn auf die Herdplatte und lehnte sich an den Kühlschrank. »Außerdem dürfte es nicht ganz einfach sein, einen nicht gerade schmächtigen Kerl wie mich zu töten, nehme ich an.«
»Jessica hat aber nicht telefoniert. Die Polizei hat ihre Handydaten abgefragt«, flüsterte ich auf der Suche nach der Schwachstelle in Zeckes Geschichte. Einer Geschichte, die so plausibel klang, dass sie mir Angst machte.
»Sie kann von zu Hause aus angerufen haben.« Zecke überlegte kurz. »Nein, von der Uni aus. Sie hat doch dieses Seminar geleitet? Das heißt, sie hatte Zugang zum Dozentenzimmer. Dort kann sie problemlos telefoniert haben. Würde zeitlich perfekt passen.«
Ich gab auf. Verdammt, es passte. Alles. Vor allem aber passte es zu Thea. »Und jetzt?« Ratlos schaute ich in mein Glas, in dem das Sprudeln längst aufgehört hatte.
»Hm.« Zecke kaute an der Innenseite seiner Wange. Der Kaffeekocher zischte.
Ich fuhr wieder nach Hause. Davonlaufen, das war mir nun klar, brachte nichts. Ich sollte mich endlich den Tatsachen stellen. Doch welchen Tatsachen? Waren das, was Zecke und ich uns ausgemalt hatten, Tatsachen? Oder doch nur Phantastereien überreizter Gehirne? War alles ganz anders? War Jessicas Tod eine Verkettung unglücklicher Umstände, wie es die Zeitungen bezeichneten? Ich wollte, ich musste es wissen.
Thea fragte nicht, wo ich gewesen war. Sie musterte mich kurz und ging dann in die Küche, wo sie sich am Herd zu schaffen machte. Wenige Minuten später roch es nach Gebratenem, und mir lief das Wasser im Mund zusammen, obwohl ich mir nicht vorstellen konnte, auch nur einen Bissen hinunterzubringen.
Ich nahm die Zeitungen der vergangenen Tage, die auf dem Esstisch lagen, mit in mein Zimmer, legte mich aufs Bett und las den Artikel über Jessica, den ich bei Zecke nur überflogen hatte. Sie, die Tochter aus reichem Hause, wurde ein letztes Mal porträtiert, bevor ihr Name, ihre Geschichte in Vergessenheit geraten würde.
Ein Leben. Jemand hatte es beendet, gewaltsam und grausam. Es war kein Unfall gewesen sondern ... Mord. Als in diesem Moment erstmals Wut in mir aufstieg, statt wie bisher lähmende Trauer und Hilflosigkeit, schwor ich mir, Jessicas Mörder zu finden.
Oder ihre Mörderin.
27. Kapitel
Ich hatte es gesehen, dieses Erschrecken in ihren Augen. Das Flattern, das Senken der Lider. Dann hatte sie sich wieder im Griff, schaute mich interessiert an. Dieser Sekundenbruchteil bestätigte, was Zecke und ich aus reinen Mutmaßungen geschlussfolgert hatten. Ohne belegbare Fakten und doch so zwingend logisch, dass es passte wie das letzte Stück eines Puzzles.
»So muss es gewesen sein. Es gibt keine andere Möglichkeit«, schloss ich meine Ausführungen und lehnte mich triumphierend zurück. »Du hast Jessica getötet.«
Thea sah mich nachdenklich an, nickte langsam. »Kluge Jungs seid ihr ja, das muss ich euch lassen. Nun müsst ihr eure Theorie nur noch beweisen.« Sie stand auf, nahm ihre Kaffeetasse und rückte sorgfältig ihren Stuhl an den Tisch. »Könnt ihr das?« Sie schaute einen Augenblick auf mich herab, dann verließ sie das Wohnzimmer.
Nein, können wir nicht, dachte ich. Wie bisher war uns Thea einen Schritt voraus. Sie besaß Indizien für meine Tat, mein Verdacht gegen sie hingegen beschränkte sich auf nicht mehr als ein Gefühl.
Ich trommelte mit den Fingern auf die Tischplatte. Dann fasste ich einen Entschluss.
Eine Stunde später stand ich vor einem rot-weißen Kunststoffband mit der Aufschrift ‚Polizeiabsperrung‘. Es knatterte im Wind. Ich stieg darüber hinweg und betrat das Gelände.
Literaten und Maler würden die Szenerie, die sich mir darbot, wahrscheinlich als dramatisch oder gar romantisch beschreiben. Auf mich wirkte sie bedrückend. Die Gebäude, das Brennholz, das davor gestapelt war, selbst
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