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Morgen wirst Du frei sein (German Edition)

Morgen wirst Du frei sein (German Edition)

Titel: Morgen wirst Du frei sein (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Martini
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fragte, nickte, tippte. Ich antwortete automatisch und sank immer tiefer in meinem Stuhl zusammen. Das alles konnte doch nicht wahr sein!
     
    »Welche Fragen haben Sie nun an mich?« Die Beamtin lehnte sich zurück, legte die Hände in den Schoß und schaute mich an.
    »Wo ist es passiert? Und wann?«, flüsterte ich.
    Sie beschrieb mir die Lage des Bauernhofes. Er befand sich nur wenige Kilometer von Kleinspornach entfernt. Mit ein paar Klicks rief sie Bilder auf und drehte den Laptop zu mir. Verfallene Gebäude mit Dächern, durch die Dachsparren zu erkennen waren. Fenster ohne Scheiben, ein eingestürzter Kamin. In den Geräteschuppen stand Schrott, Unkraut überwucherte die trostlose Szenerie. Mitten auf dem Hof krümmte sich eine Birke neben mehreren Sträuchern, die ums Überleben kämpften.
    Was hatte Jessica dort gewollt? Wie war sie überhaupt dorthin gekommen? Sie besaß kein Auto, und der nächstgelegene Bahnhof war der, von dem aus ich jahrelang jeden Werktag nach München gefahren war.
    »Sie muss an dem Montag verunglückt sein, an dem Sie sich zuletzt getroffen hatten«, erklärte die Polizistin. »Zumindest grenzen wir das Datum anhand Ihrer Angaben und der ihrer Mitbewohnerin auf diesen Tag ein. Die Zeit ihres Todes ist nicht genau festzustellen, sagt der Gerichtsmediziner. Sie hat eine ganze Weile dort unten ...« Sie verstummte.
    Ich kniff die Augen zusammen, um das Bild loszuwerden, das in mir aufstieg. Womöglich hatten wilde Tiere ...
    »War sie bei Bewusstsein?«
    »Die Spurenlage lässt den Schluss zu«, antwortete die Beamtin und wich meinem Blick aus.
    »Die Spurenlage«, nickte ich. »Sie hat versucht, aus dem Schacht zu klettern.«
    Nicken.
    »War sie schwer verletzt?«
    »Das Sprunggelenk war gebrochen, ein einfacher Bruch, mit dem sie durchaus hätte gehen können. Unter Schmerzen zwar, aber sie war nicht hilflos.«
    »Oh mein Gott.« Ich stellte mir vor, wie Jessica in der Tiefe gefangen um Hilfe schrie. Tagelang. Leiser werdend, schwächer ...
     
    Als ich zu mir kam, beugte sich ein Mann über mich. Er trug ein weißes Shirt, darüber eine rote Weste. Ein Stethoskop baumelte von seinem Hals vor meinen Augen. Die Manschette eines Blutdruckmessgeräts drückte meinen Oberarm ab, in meinem rechten Handrücken steckte eine Nadel, von der ein dünner Schlauch zu einer Flasche führte, die von einer jungen Frau gehalten wurde. Auch sie war weiß gekleidet. Mein Oberkörper war nackt, auf meiner Brust klebten vier Elektroden, an die Kabel geklemmt waren. Irgendwo piepte es.
    »Da ist er ja wieder.« Der Mann fühlte meinen Puls, schaute dabei konzentriert auf seine Armbanduhr. »133«, gab er seiner Kollegin an, die etwas in ihr Notizbuch schrieb. Zu mir gewandt, sprach er deutlich wie zu einem Betrunkenen. »Wir werden Sie mitnehmen ins Schwabinger Krankenhaus. Sie hatten einen Zusammenbruch. Das EKG gefällt mir nicht, das würde ich gern einem Kardiologen zeigen. Haben Sie irgendwelche Erkrankungen oder Allergien?«
    Ich schüttelte den Kopf.
    »Herzprobleme?«
    »Nein.«
    »Okay. Ich will trotzdem sichergehen.« Ein weiterer Sanitäter erschien mit einer Trage. Ich ließ es widerstandslos über mich ergehen, darauf gehoben, angeschnallt und zum Rettungswagen geschoben zu werden.
     
    Die Untersuchungen zogen sich zwei Tage hin und ergaben, dass ich kerngesund war. Man attestierte mir ein posttraumatisches Belastungssyndrom, verschrieb mir Ruhe und empfahl mir, einen Psychologen aufzusuchen.
    Am dritten Tag ging die Türe zu meinem Krankenzimmer auf, und Thea betrat den Raum. Sie unterhielt sich mit dem Arzt, der zustimmend nickte. Ich verstand nur Teile ihres Gespräches, das sich, so viel konnte ich den Wortfetzen entnehmen, um mich drehte.
    »So, junger Mann«, begrüßte mich der Arzt jovial. »Wir haben bereits alles besprochen, Ihre Mutter und ich. Nachdem Sie sich zu Hause auf erstklassige Pflege freuen dürfen, wie mir versichert wurde, kann ich Sie ruhigen Gewissens entlassen.« Er setzte seine Unterschrift auf ein Dokument, das in einem Klemmbrett steckte, verabschiedete sich mit einer angedeuteten Verbeugung von Thea und war verschwunden.
    Thea zog meine Sporttasche aus dem Fach unter meinem Nachttisch und öffnete den Schrank. »Oje. Na ja, an Jeans hat Dein Mitbewohner wenigstens gedacht.« Sie zog ein zerknittertes Hemd von einem Bügel, warf es neben die Hose auf mein Bett und ging ins Bad. »Zieh dich an, ich packe deine Sachen zusammen.«
    »Was soll das?«, fragte ich.

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