Morgen wirst Du frei sein (German Edition)
ginge.
Ich räusperte mich. »Wie geht es denn jetzt weiter?«
»Wir erarbeiten eine Strategie, die auf mehreren Säulen fußt. Zunächst nehmen wir mit der Staatsanwaltschaft Kontakt auf, legen offen, was unumstößliche Tatsachen sind. Also den Tod Ihrer Mutter, Ihre Bewusstlosigkeit, Ihren panischen Versuch, diesen Tod zu verschleiern, um nicht unschuldig in Verdacht zu geraten. Das ist unser Ausgangspunkt: Sie waren dabei, waren aber nicht der Täter.«
Der Anwalt hob die Arme, als ich widersprechen wollte. »Wir wissen natürlich, dass die Ermittlungsbehörden Sie umgehend als Beschuldigten ins Fadenkreuz nehmen, also verhandeln wir, wie mit Ihnen umgegangen werden soll. Wir präsentieren Sie dabei als kooperationswilligen Zeugen, niemals aber als möglichen Täter. Die Tat als solche aufzuklären ist nicht unsere Sache, das ist Angelegenheit der Kriminalpolizei. Wir warten, was die ermittelt, und reagieren darauf.«
Ich nickte. »Nur zugeben, was bewiesen wird.«
»Genau. Warum sollen wir der Kripo die Arbeit abnehmen? Und was ist eigentlich passiert an diesem Sonntagabend? Ich weiß es nicht, Sie auch nicht.«
»Aber ich habe meine Mutter im Moor ...« Ich schluckte trocken.
»Ja, das haben Sie. Aber das ist nicht strafbar, wenn Sie davon überzeugt waren, sie getötet zu haben.«
»Wirklich?«, fragte ich verwundert nach.
»Vertuschung einer Straftat ist nur strafbar, wenn man nicht der Täter ist«, erklärte der Blonde, an dessen Namen ich mich nicht erinnern konnte. Ihn danach zu fragen, war mir peinlich.
»Als Täter dürfen Sie praktisch alles tun, um den Kopf aus der Schlinge zu ziehen. Als Zeuge müssen Sie vor Gericht die Wahrheit sagen, auch wenn sie nicht vereidigt werden. Als Beschuldigter beziehungsweise Angeklagter dürfen Sie lügen, bis sich die Balken biegen, oder auch die Aussage verweigern.«
»Aha«, nickte ich. »Aber was bin ich denn nun? Zeuge oder Beschuldigter?«
»Beides. In Ihrem Fall entscheidet die Staatsanwaltschaft. Und wir reagieren darauf entsprechend. Der Fall Ihrer Freundin Jessica liegt anders. Hier werden wir wertvolle Informationen liefern, die möglicherweise zur Aufklärung beitragen können. Durchaus also Basis für einen Deal. Wir werden nicht zulassen, dass Untersuchungshaft beantragt wird. Und wenn doch, sind Sie schnell wieder frei, verlassen Sie sich darauf.«
In meinem Kopf dröhnte es, meine Augen brannten. Ich fühlte mich hilflos, überfordert, überrannt.
Der Jurist legte die Hand auf meine. »Keine Sorge, wir lassen Sie nicht allein. Wir sind bei jedem Gespräch dabei und sagen Ihnen genau, was Sie antworten sollen oder eben auch nicht.«
Drei Tage später, ich brütete im Verlag gerade über einer Zahlenkolonne, klingelte mein Handy.
»Steffen Petermann«, meldete sich eine bekannte Stimme. »Wir haben Kontakt zur Staatsanwaltschaft. Es geht los.«
Meine Beine schienen an Gewicht zu verlieren, mein Kopf wog dafür plötzlich umso schwerer. »Was ...« Ich räusperte mich. »Was bedeutet das?«
»Der Oberstaatsanwalt ist informiert, wir haben Ihren Fall vorgetragen. Morgen um 9:30 Uhr findet im Polizeipräsidium an der Ettstraße ein Treffen statt, bei dem Vertreter unserer Kanzlei, der Staatsanwaltschaft und der Kriminalpolizei anwesend sein werden. Und Sie natürlich.«
»Wird man mich verhaften?«
»Davon ist auszugehen. Sie sollten ein paar Sachen packen. Hygieneartikel, bequeme Kleidung und welche für Termine. Nehmen Sie was zum Lesen mit, Bücher oder Akten. Allerdings bitte keinen Computer, der wird Ihnen weggenommen. Wie übrigens auch das Handy.«
Ich nickte. Mir war übel, mein Puls raste. Sie bahnte sich an, die Panik vor dem Eingesperrtsein.
»Sind Sie noch dran?«, fragte Petermann.
»Ja«, krächzte ich. »Ich ... Ich habe Angst. Vor Enge, wissen Sie? Klaustrophobie.«
»Verstehe. Nun, eine Untersuchungshaft ist vergleichsweise komfortabel. Eine große Einzelzelle, Fernseher, Bücher, Spaziergänge. Außerdem wird es eine Reihe Vernehmungen und Besprechungen geben. Das bedeutet, Sie werden tagsüber nicht viel Zeit in der Zelle verbringen. Und unliebsamen Kontakt zu Mitgefangenen müssen Sie auch nicht befürchten. Beruhigt Sie das etwas?«
»Nicht wirklich«, gestand ich.
»Nun, es wird kein Spaß«, gab der Jurist zu. »Aber ich gehe davon aus, dass Sie nach drei Tagen beim Haftprüfungstermin wieder frei sind.« Er schien zu zögern. »Sie werden doch kommen?«
»Ich bin da«, versprach ich.
Ein
Weitere Kostenlose Bücher