Morgen wirst Du frei sein (German Edition)
Nobelhotel, Edelrestaurants, Boutiquen, Geschäfte für Luxusartikel, der gläserne Showroom eines Herstellers von Oberklasse-Automobilen und das Polizeipräsidium fanden Platz in der Maffeistraße. Sie lag parallel zur Fußgängerzone in Münchens Innenstadt. Während nur wenige Meter entfernt Touristen die Frauenkirche bewunderten, stand ich vor einer Pforte, blickte an einem 100-jährigen grünstichigen Gebäude empor, das alles andere als vertrauenerweckend wirkten. Wären nicht die vergitterten Fenster, unüberwindlichen Mauern und Zäune mit Überwachungskameras sowie die geparkten Polizeifahrzeuge gewesen, hätte man das Anwesen für ein Kloster halten können.
In der Hand hielt ich eine Sporttasche, in die ich gestopft hatte, was mir wichtig erschien, darunter das Manuskript meiner Masterarbeit. Ich beobachtete vorbeifahrende Fahrzeuge, in denen freie Menschen mit offensichtlich jeder Menge Zeit und Geld saßen, und wartete auf meine Anwälte. Nervös schaute ich zum wiederholten Mal auf die Uhr.
9:17.
Ich warf noch viele Blicke die Straße hinunter in die Richtung, aus der meine Verteidiger auftauchen mussten. Endlich sah ich eine dunkle Limousine, die von einem jungen blonden Mann gesteuert wurde. Die Glocken der Frauenkirche schlugen zweimal. Auf dem Beifahrersitz des Mercedes erkannte ich Dr. von Hamm.
Der Wagen parkte im Halteverbot, der Staranwalt stieg aus, von der Rückbank schälte sich eine Frau. Ich hatte sie noch nie gesehen und fragte mich, welche Rolle sie übernehmen würde. Dass das Auftreten meiner Anwälte inszeniert war und einem meisterhaft vorgetragenen Theaterspiel ähnelte, wurde mir zunehmend klarer. Ich war nur Statist, die Hauptrolle spielte ein anderer.
Der marschierte mit wehenden Sakkoschößen an mir vorbei, winkte mir mit dem Finger, ihm zu folgen. Die Frau, eine auf natürliche Art attraktive Enddreißigerin, trug eine Aktentasche und hastete hinter ihrem Chef her. Sie nickte mir zu, lächelte.
Ein paar Worte mit dem Uniformierten am Empfang wurden gewechselt, dann waren wir im Gebäude. Das Tor fiel ins Schloss, wir standen in einer hohen Halle. Mehrere Paternoster fuhren auf und ab, nahmen Menschen auf und spuckten andere aus. Es herrschte eine Art lebhafte Stille, die mich faszinierte.
Wir warteten schweigend auf den Beamten, der uns abholen und nach oben bringen sollte. Auch Petermann, der den Wagen geparkt hatte, war mittlerweile eingetroffen. Er klopfte mir auf die Schulter, verzog das Gesicht zu einem aufmunternden Grinsen und deutete auf meine Tasche.
Bevor er etwas sagen konnte, trat ein Mann in brauner Cordhose und kariertem Hemd auf uns zu. Ich starrte ihn an, hätte fast gelacht, so klischeehaft wirkte er. Wir stiegen die breite, ausgetretene Treppe nach oben und marschierten im ersten Stock einen düsteren Gang entlang. Links und rechts führten weiß lackierte Holztüren zu Büros. Man hörte Telefone, Stimmen, Tastaturgeklapper, sogar Schreibmaschinengeräusche.
Am Ende des Flurs stand eine Tür offen. In dem stuckgetäfelten Raum mit hohen Fenstern, in dem ein eichener Konferenztisch von Stühlen umringt war, unterhielten sich mehrere Personen. Zwei Männer, einer im Anzug, einer in Jeans und Polohemd gekleidet, drehten sich um, musterten uns. Eine junge Frau saß am Tisch und machte sich an einem Laptop zu schaffen. Sie blickte nicht auf.
Wir betraten das Zimmer, voran Dr. von Hamm. Er schüttelte dem Anzugträger die Hand, tat lautstark kund, wie sehr er sich über das Wiedersehen freue. Sein Gegenüber wirkte weniger begeistert, stellte dem Anwalt dennoch höflich den Mann im Polohemd als Hauptkommissar Glöcklein vor und wies Richtung Fenster, wo ich erst jetzt jemanden stehen sah. »Sein Mitarbeiter Kommissar Schubert und die Protokollantin Schmied.« Er nickte meinen Begleitern grüßend zu und wendete sich schließlich an mich.
»Herr Klingenberg, nehme ich an. Mein Name ist Volker Lutz. Ich bin der für Sie verantwortliche Oberstaatsanwalt.«
Ich erstarrte. Wie begrüßte man einen Oberstaatsanwalt? ‚Sehr erfreut‘? Wohl kaum. Ein einfaches ‚Grüß Gott‘? Während ich noch um Worte rang, hatte sich die Gesellschaft bereits um den Tisch versammelt.
Dr. von Hamm beorderte mich an seine Seite; Petermann nahm links von mir Platz. Die Assistentin - zumindest hielt ich sie dafür - setzte sich rechts neben Dr. von Hamm und breitete Akten und Notizen vor sich aus.
Auch auf der gegenüberliegenden Tischseite schien es eine Art
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