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Morgen wirst du sterben

Morgen wirst du sterben

Titel: Morgen wirst du sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gina Mayer
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Sie beschlossen zu spielen, obwohl keiner von ihnen richtig Lust hatte. Sie hatten das Spielbrett gerade ausgebreitet, als Julie wieder ins Zimmer schlurfte. Sie trug einen ausgeleierten Jogginganzug und Flip-Flops, ihre Haare waren ungewaschen, ihre Augen verschwollen. Und trotzdem sieht sie super aus, fand Sophia. Das Leben ist so ungerecht. Warum war Julie so schön, hatte eine tolle Figur und ein unerschütterliches Selbstbewusstsein, und sie selbst war fett und unansehnlich? Nur du hast einen guten Charakter abbekommen, hörte sie Philipp wieder sagen. Großartiger Trost: das hässliche Entlein mit dem guten Herzen.
    Aber Felix, dachte Sophia plötzlich, Felix liebt mich. Nicht Julie oder irgendeine andere wunderschöne Frau. Mich, nur mich will er. Der Gedanke erfüllte sie mit großem Stolz und mit einer solchen Sehnsucht, dass ihr ein bisschen schwindlig wurde.
    »Was spielt ihr denn da?«, fragte Julie. »Monopoly? Das hab ich nicht mehr gemacht, seit ich zehn war. Kann ich noch einsteigen?«
    Sophia war als Erste pleite. »Natürlich.« Sie raffte ihre letzten Geldscheine zusammen und übergab sie Moritz, der die Bank hatte. »Spielt mal schön zu Ende. Ich geh jetzt unter die Dusche.«
    Als sie wieder zurückkam, hatte Moritz gerade gewonnen und räumte die Spielkarten und Geldscheine wieder in die Schachtel. »Wie viel Uhr ist es denn jetzt?«
    »Erst drei«, sagte Sophia. »Der Tag ist nicht totzukriegen.«
    »Toller Vergleich«, meinte Philipp.
    Julie lachte. »Stellt euch mal vor, wir wären alle zusammen aufgewachsen wie richtige Geschwister. Das hab ich mir als Kind immer gewünscht. Einen Bruder oder eine Schwester. Oder beides.
    »Was hätten wir gestritten!«, sagte Philipp.
    »Manchmal«, sagte Julie. »Und manchmal auch nicht.«
    »Eigentlich müssten wir V dankbar sein, dass er uns endlich zusammengebracht hat.« Moritz verstaute die Monopolyschachtel wieder im Schrank.
    »Das sieht Jochen bestimmt anders«, sagte Julie.
    Das Abendessen übernahm Julie. »Penne mit Pfifferlingen«, meinte sie, als sie die Teller auf den Tisch stellte. »Hoffentlich schmeckt’s euch einigermaßen.«
    Moritz öffnete eine Flasche Wein und schenkte ein. Sie wollten gerade mit dem Essen beginnen, als das Telefon klingelte.
    »Was ist das denn?« Moritz ließ alarmiert seine Gabel sinken.
    »Keine Ahnung.« Philipp stand auf. »Hat einer von euch die Nummer hier weitergegeben?«
    »Wie denn? Ich kenn die doch gar nicht«, sagte Moritz.
    Philipp ging zum Telefon, das auf einem Tischchen neben dem Fenster stand, aber er nahm den Hörer nicht ab, sondern starrte es nur misstrauisch an.
    »Geh ran!«, sagte Julie. »Worauf wartest du?«
    »Es ist bestimmt der Vermieter«, sagte Moritz.
    Philipps Hände schwitzten. Als er den Hörer abhob, wäre er ihm beinahe aus der Hand geglitten.
    »Hallo?«
    »Reifenberg hier. Hoffe, ich störe nicht.«
    Es war der Vermieter. Philipp atmete auf.
    »Nein, natürlich nicht. Das heißt, wir wollten gerade essen …«
    »Ich mach’s kurz. Wollte mich eigentlich nur erkundigen, wann ich den Schlüssel wieder abholen kann.«
    »Den Schlüssel?«
    »Den Ersatzschlüssel.« Der Vermieter räusperte sich. »Ich gebe immer nur einen Schlüssel an die Mieter raus, der andere bleibt hier bei mir. Ist mir lieber so, falls mal was ist. Und wir sind ja auch so gut wie immer zu Hause.«
    »Wir haben nur einen Schlüssel hier.«
    »Aber Ihre Schwester hatte Sie doch ausgeschlossen.« Die Stimme des Mannes klang plötzlich verunsichert.
    »Meine Schwester …?«
    Philipp blickte fragend von Julie zu Sophia und beide blickten genauso fragend zurück.
    »Deshalb waren Sie doch heute Nachmittag bei mir und haben den Ersatzschlüssel geholt«, erklärte Reifenberg. »Weil Ihre Schwester die Tür zugeschlagen hat, als Sie alle draußen waren. Wenn es Ihnen recht ist, komm ich morgen Vormittag so gegen zehn vorbei und hol den Zweitschlüssel wieder ab.«
    »Natürlich«, sagte Philipp. Er kapierte immer noch nicht, was der Mann von ihm wollte, aber sein Herz schien es begriffen zu haben, denn es raste, als wollte es sich aus seiner Brust an einen sicheren Ort flüchten. »Kein Problem.«
    »Was war denn los?«, fragte Moritz, als Philipp aufgelegt hatte.
    »Jemand hat sich heute Nachmittag für mich ausgegeben und den Ersatzschlüssel vom Vermieter abgeholt.«
    »Was?« Julie stand auf. »V. Das war V. Wir müssen …« Ihre Stimme versagte.
    »Wir müssen die Polizei holen«, vervollständigte

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