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Morgen wirst du sterben

Morgen wirst du sterben

Titel: Morgen wirst du sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gina Mayer
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Fenster.
    »Ich steh total unter Strom. Hast du doch gemerkt. Diese Scheißwohnung macht mich fertig.«
    Marcel zuckte mit den Schultern. »Verkauf sie wieder. Und zieh mit Vivian raus aufs Land.«
    »Aufs Land? Mit Vivian?« Philipp lachte spöttisch. »Die würd lieber Gift nehmen als umziehen.«
    Marcel blies nachdenklich den Rauch aus der Nase. »Was für ein Quatsch!«
    Philipp fragte sich, ob er damit Philipps Bemerkung meinte oder Vivians Einstellung oder ihre ganze Beziehung. Auf jeden Fall hat er Recht, dachte er. Es ist der totale Quatsch. Hirnverbrannt. Andere Leute in meinem Alter machen richtig einen drauf, studieren irgendwas oder fliegen um die Welt. Und ich klotz von morgens bis abends wie ein Bekloppter und steck jeden Cent in eine Wohnung, die mir im Grunde nichts bedeutet.
    »Und jetzt?«, fragte Marcel.
    »Nichts – und jetzt.« Philipp nahm einen letzten Zug an seiner Zigarette. »Ich werde Vivian gleich einen Antrag machen.«
    »Was, echt? Herzlichen Glückwunsch.«
    »Wart erst mal ab. Vielleicht gibt sie mir ja einen Korb.«
    »Nie und nimmer. Mann, ihr wollt heiraten! Das ist ja absolut geil.«
    In Philipps Tasche summte sein Handy. Eine SMS . Vielleicht war das Vivian. Um ihre Verabredung im letzten Moment abzusagen. Oder sie saß schon im Amadeo und wartete auf ihn. Aber warum rief sie dann nicht einfach an?
    Er kramte sein Telefon aus der Hose. Und las. Und hatte plötzlich das Gefühl, dass der ohnehin schon morsche Parkettboden unter ihm vollkommen brüchig wurde und nachgab und er in Zeitlupengeschwindigkeit nach unten sank.
    »Schlechte Nachrichten?«, fragte Marcel.
    Philipp klappte das Handy zu. Irgendwo in seinem Kopf schrillte etwas, es war ein helles und scheußliches Geräusch. Wie der Bohrer beim Zahnarzt.
    »Kann man so sagen.« Er stellte mit einer gewissen Verwunderung fest, dass alles, worüber er sich gerade noch geärgert hatte, mit einem Mal vollkommen bedeutungslos geworden war. Der unfähige Elektriker, das teure Apartment – es spielte keine Rolle mehr. Er hatte jetzt ein anderes, ein viel größeres Problem.
    »Was ist denn los? Hat sie dich versetzt?«
    »Nichts. Ein bescheuerter Kunde. Ist egal.«
    »Echt?« Marcel glaubte ihm kein Wort. Es stimmte ja auch nicht.
    »Ich muss jetzt los«, sagte Philipp.
    Marcel nahm seinen Helm vom Fensterbrett. »Dann wollen wir mal. Hoffentlich halten uns die Bullen nicht an. Ich hab keinen zweiten Helm dabei.«
    »Wird schon gut gehen.« Auch das war jetzt egal.
    Marcels Vespa war nicht viel schneller als ein Fahrrad. Sie tuckerten gemächlich durch den Münchner Abendverkehr. Philipps Gedanken rasten dagegen auf Hochtouren. Diese SMS . Er hatte die Nachricht nur einmal gelesen und dennoch hatte sie sich ihm eingeprägt. Wort für Wort für Wort.
    Was vergangen ist, ist nicht vergessen. Es kommt wieder. Es holt dich ein. Am 2. Juli wirst du zahlen.
    Keine Unterschrift. Aber Philipp wusste trotzdem, von wem die Nachricht kam.
    Es holt dich ein. Geschieht mir recht, dachte Philipp. Jetzt fliegt mir die ganze Scheiße in die Fresse. Ich hab’s nicht besser verdient.
    Marcel bog von der Leopoldstraße in die Adalbertstraße ein. Noch zweihundert Meter, dann waren sie da. Dann musste Philipp Vivian küssen und den Crémant bestellen und ein Menü aussuchen und Vivian anlächeln und den Ring aus der Tasche ziehen und ihr einen Antrag machen. Und Vivian, die nicht Bescheid wusste, würde Ja sagen. Aber wenn sie Bescheid wüsste, dachte Philipp, dann würde sie ihre Sachen aus meiner Wohnung holen und meine Sachen aus ihrer Wohnung auf die Straße schmeißen und zu ihren Eltern rennen und heulen. Und vor lauter Kummer sieben Kilo abnehmen. Und allen ihren Freundinnen erzählen, wie fies ich sie behandelt habe.
    »Halt an!« Er rüttelte Marcel an der Schulter.
    »Was ist denn jetzt wieder?« Ohne langsamer zu werden, drehte Marcel irritiert den Kopf zu ihm.
    »Halt an!« Zu laut, er war viel zu laut. Reiß dich zusammen, ermahnte er sich selbst.
    Marcel brachte die Vespa am Straßenrand zum Stehen.
    »Was gibt’s? Wir sind fast da.«
    »Ich weiß. Ich kann da jetzt nicht hin.« Philipp sprang vom Rücksitz.
    »Bitte was? Spinnst du komplett?«
    »Die Sache mit … diesem Kunden. Ich muss das klären. Ich hab sonst keine ruhige Minute mehr.«
    »Was willst du denn heute Nacht klären? Du erreichst doch keinen mehr. Und außerdem: Vivian wartet auf dich.«
    »Ich hab die Privatnummer von dem Typ. Wirklich, Marcel, ich pack das heute

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