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Morgen wirst du sterben

Morgen wirst du sterben

Titel: Morgen wirst du sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gina Mayer
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Gutes«, meinte er dann nachdenklich.
    »Wie meinst du das?«
    »Na, vielleicht bringt ihn der Rückschlag ja dazu, darüber nachzudenken, ob er das wirklich will – Arzt werden.«
    »Wie meinst du das? Natürlich will er das. Seit dem Kindergarten will er Arzt werden. Wie unser Vater.«
    »Na, wenn er sich da so sicher ist, dann wird ihn eine verpatzte mündliche Prüfung auch nicht abhalten können.«
    Sophia zuckte mit den Schultern. Sie wollte nicht über ihren Bruder reden. Sie wollte mehr über Felix erfahren. Was er machte und dachte und warum er sie heute besucht hatte. Vor allem das.
    »Warum bist du hergekommen?«, platzte sie heraus.
    Felix hatte sie allerdings gar nicht gehört. Er drehte die Teetasse in seinen schönen schmalen Händen und starrte auf die Fotos, die über Sophias Bett hingen. Uralte Fotos, auf den meisten war Sophia noch ein Kind. Auf einem Bild stand sie auf einem Sprungbrett im Freibad, auf einem anderen Bild rannte sie mit ihrem Vater über eine Wiese und zog einen sonnengelben Lenkdrachen hinter sich her. Sie war damals acht oder neun Jahre alt gewesen und kein bisschen fett.
    Sophia nahm noch ein Stück Schokolade. Dann schob sie das Stanniolpapier wieder in Felix’ Richtung.
    Aber auch das bemerkte er nicht. Er schwieg und Sophia schwieg auch. Es war aber kein peinliches Schweigen. Es fühlte sich eher so an, als ob sie einander schon viele Jahre kannten und vertrauten. Ein gutes Schweigen.
    Ich liebe dich, dachte Sophia, und dann erschrak sie darüber, wie heiß und wahr sich dieser Gedanke anfühlte.
    Als es an der Fensterscheibe pochte, fuhren sie beide zusammen.
    »Egon«, rief Sophia und stand auf.
    Der dicke honigfarbene Kater hatte mit der Pfote ans Fenster geklopft, damit sie ihn hereinließ. Egon gehörte eigentlich einer Nachbarin, aber Frau Blunt war so alt und verwirrt, dass sie ständig vergaß, ihn zu füttern. Also hatte Sophia den Kater adoptiert und Egon ließ sich mit großer Begeisterung von ihr füttern, streicheln und verwöhnen. In letzter Zeit hatte Sophia allerdings den Verdacht, dass er sich auch noch von anderen Nachbarn verköstigen ließ, der Kater wurde nämlich immer fetter. Seitdem servierte sie ihm nur noch sehr überschaubare Portionen und Egon ließ sich deutlich seltener bei ihr blicken.
    »Kommst du auch einmal wieder vorbei?«, fragte sie jetzt, nachdem sie das Fenster geöffnet und Egon vom Fensterbrett gepflückt hatte.
    Der Kater schnurrte behaglich. Sie ließ sich wieder auf dem Bett nieder und streichelte über sein weiches gelbes Fell.
    »Ein schönes Tier«, sagte Felix und strich ebenfalls über Egons Rücken und dabei berührten sich ihre Hände. Sophias Herz setzte für einen Schlag aus. Felix zog seine Finger zurück. Schade aber auch.
    Felix hob den Kopf und sah sie an. »Ich wollte dich einfach wiedersehen«, sagte er. Erst nach ein paar Sekunden wurde ihr bewusst, dass das die Antwort auf ihre Frage von vorhin gewesen war.

H eute müssen wir wieder fliehen, aber wir gehen nicht mehr zu C&A, weil die Verkäuferin mit den Männern unter einer Decke steckt, sagt Mama.
    Wir fahren mit dem Taxi zu Harry, aber der ist nicht da. Oder vielleicht ist er da und macht nicht auf. Mama kickt mit dem Fuß gegen die Tür.
    Nützt alles nichts, wir müssen weiter. Wir fahren mit dem Zug, Mama will zum See, aber nach einer Weile kommt ein Schaffner und will unsere Fahrkarten sehen. Und dann müssen wir aussteigen.
    Was machen wir denn jetzt bloß?, fragt Mama. Wir können auf keinen Fall zurück in die Wohnung.
    Ruf doch Dad an, damit er uns holt, sage ich, und das macht sie auch.
    Bis er kommt, verstecken wir uns im Bahnhof auf dem Damenklo. Mama rennt immer wieder raus und guckt, ob er schon da ist oder ob die Männer irgendwo auftauchen, und dann kommt sie wieder zu mir. Ich freue mich so, als er endlich kommt, aber Dad freut sich nicht, er ist total sauer.
    Was ist denn bloß los?, fragt er. Ich war mitten in der Arbeit, ich kann da doch nicht ständig alles stehen und liegen lassen.
    Die waren wieder hinter uns her, sagt Mama. Und dann weint sie, weil sie merkt, dass er ihr nicht glaubt.
    Ich bring euch jetzt nach Hause, sagt Dad, aber so geht das nicht mehr weiter. Und zu Mama sagt er: Du brauchst Hilfe.
    Sie nickt und lächelt schon wieder. Weil Dad jetzt da ist. Aber als wir zu Hause sind und Dad sagt, dass er nicht mit hochkommt, weil er noch einen Termin hat, fängt sie wieder an zu weinen.
    Das kannst du doch nicht bringen!, schreit

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