Morgen wirst du sterben
kümmern, erkannte er plötzlich. Wenn Vivian alles erfuhr, würde sie sich von ihm trennen, würden sie niemals heiraten. Dann brauchte er auch die Wohnung nicht mehr. Ich wäre … frei, dachte er mit einer Erleichterung, die ihn überraschte und erschreckte.
»Ich rufe ihn von unterwegs aus an. Um Dr. Campbell-Schildknecht kümmern Sie sich bitte. Sagen Sie ihm, ich melde mich morgen. Mir geht es nicht gut.«
»Das tut mir leid. Gute Besserung.«
Er nickte kurz und verließ das Büro.
Vivian trug das hellblaue Kleid mit dem runden Ausschnitt und dem weiten Rock, das er so liebte. Ein breites weißes Band hielt ihr blondes Haar zurück. Sie sah so hübsch aus, so jung und unschuldig und verletzlich.
»Da bist du ja endlich.«
Er küsste sie. Vielleicht war es das letzte Mal.
»So, jetzt erzähl! Ich bin ganz nervös. Was ist geschehen?«
Dieses Lächeln. Ein bisschen ängstlich, aber auch neugierig. Nie wieder würde sie ihn so anstrahlen. Ich habe dich mit meiner Sekretärin betrogen. Sieben Worte. Ein Schlussstrich.
»Hast du schon was bestellt?«
»Tee. Und was trinkst du?«
»Ein Wasser.« Sein Mund war auf einmal furchtbar trocken. Er winkte der Kellnerin, die ihn ignorierte. Egal.
Vivian verschränkte die Arme vor der Brust und sah ihn erwartungsvoll an.
Philipp räusperte sich. Dann klingelte sein Handy. Marcel. Im Auto hatte Philipp schon versucht ihn anzurufen, aber nur die Mailbox erreicht.
»Entschuldigung.«
Vivian seufzte.
»Hallo?«
»Na endlich. Wo um alles in der Welt steckst du?«
»Im Café. Ich … treffe mich gerade mit Vivian.«
»Oh. Das tut mir leid.«
»Was gibt’s denn, Marcel?«, fragte Philipp ungeduldig.
»Hier ist was passiert. Du musst sofort herkommen.«
Die Oberstudienrätin, die im vierten Stock wohnte, hatte Alarm geschlagen, als sie die nassen Flecken an ihrer Decke bemerkt hatte. Kurz danach war das Wasser auch schon an ihren Wänden heruntergelaufen. »Unten bei Schlucks ist auch schon alles nass«, verkündete sie aufgeregt, als Philipp und Vivian an ihrer Wohnung vorbeihasteten.
»Ich komme nachher noch zu Ihnen«, versprach Philipp.
»Wie konnte denn so etwas passieren?«, rief sie ihm nach.
»Wenn ich das mal wüsste«, sagte Marcel, als Philipp ihm kurz danach die gleiche Frage stellte. Nachdem die Frau ihn angerufen hatte, war er sofort in die Wohnung gefahren. Inzwischen hatte der Hausmeister die Tür aufgeschlossen und den Wasserhahn im Bad zugedreht. Das Wasser hatte zuerst das verstopfte Waschbecken und dann die ganze Wohnung überschwemmt.
»Hat einer der Arbeiter Mist gebaut?«, fragte Philipp.
Marcel schaufelte das Wasser mit einem Kehrblech vom Boden in einen Eimer. »Der Wasserhahn war bis zum Anschlag aufgedreht.«
»So was übersieht man doch nicht einfach.« Auch Vivian hatte sich einen Eimer geschnappt und wrang jetzt ihren Putzlappen darüber aus. »Das sieht doch ganz danach aus, als ob jemand die Wohnung absichtlich unter Wasser gesetzt hat.«
Yasmin, dachte Philipp. Jetzt ist sie vollkommen ausgerastet.
»Wer war denn gestern zuletzt hier?«, fragte er Marcel.
»Ich«, sagte Marcel. »Hab dem neuen Elektriker die Wohnung gezeigt und alles besprochen. Dann hab ich abgeschlossen. Als ich ging, war der Hahn abgedreht. Dafür gibt es allerdings keine Zeugen.«
»Hm.«
»Die Nachbarn waren alle schon hier oben«, sagte Marcel. »Die sind natürlich supersauer, kann man sich ja vorstellen. Ich meine, die waren ja schon vorher nicht gut auf dich zu sprechen.«
»Hast du ihnen nicht erklärt, dass ich nichts dafürkann?«
»Doch, natürlich. Aber ob sie mir das abnehmen, ist eine andere Frage.«
»Und jetzt? Was passiert denn nun?«
»Erst mal muss das Wasser hier raus. Das meiste ist allerdings schon im Estrich versickert. Das Parkett kannst du vergessen, das muss jetzt auf jeden Fall raus. Der Boden und die Wände müssen professionell getrocknet werden, bevor die Handwerker weitermachen können. Bei den Nachbarn unten sieht es wahrscheinlich nicht anders aus.«
»Und wer kommt für den Schaden auf?«, fragte Vivian erschrocken.
Marcel zuckte mit den Schultern. »Ich weiß es noch nicht, ehrlich gesagt. Wenn es einer der Handwerker gewesen wäre, müsste die Haftpflicht einspringen. Aber wie gesagt, ich kann mir nicht vorstellen, dass die was damit zu tun haben.«
»Wer soll es denn sonst gewesen sein? Die Wohnungstür war doch nicht aufgebrochen, oder?«
»Nein, sie war sogar abgeschlossen, sagt der
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