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Morgen wirst du sterben

Morgen wirst du sterben

Titel: Morgen wirst du sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gina Mayer
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denn jetzt hörten sie einen Schlüssel in der Wohnungstür. Moritz straffte die Schultern und stand auf.
    »Ist wahrscheinlich am besten, wenn du mich erst mal reden lässt«, flüsterte er Sophia zu.
    Die Erkenntnis, dass die Drohbriefe nichts mit seiner Fahrerflucht zu tun hatten, hatte ihn aufgebaut, das war unübersehbar. Er war fast schon wieder der Alte. Der selbstbewusste, starke, überlegene Moritz.
    »Jochen?«, rief er jetzt laut.Seit Moritz fünfzehn oder sechzehn war, nannte er seine Eltern nicht mehr Papa und Mama, sondern Jochen und Sabine. Sophia gefiel das nicht, aber warum es ihr nicht gefiel, wusste sie nicht genau.
    »Nee, ich bin’s.« Frau Rothe steckte jetzt den Kopf ins Zimmer.
    »Wolltest du nicht nach der Arbeit zu Bettina?«, fragte Sophia zurück.
    »Hab ich abgesagt. Euer Vater wollte unbedingt, dass ich nach Hause komme.« Sie blickte sich um. »Wo steckt er denn? Ist er noch nicht da?«
    »Bis jetzt noch nicht. Was habt ihr denn vor?«
    »Das hat er mir nicht verraten.« Sie musterte ihre Kinder. »Ist bei euch alles in Ordnung?«
    »Sicher«, sagten sie beide im Chor.
    »Na dann.« Ihre Mutter verschwand wieder im Flur. »Ich muss erst mal was trinken. Diese Hitze ist wirklich unerträglich.«
    »Na, hoffentlich kommt er bald«, murmelte Moritz. »Also, ich bin jetzt wirklich gespannt, was er uns zu erzählen hat.«
    Er kam aber nicht.
    Sein Handy war abgeschaltet. In der Praxis lief der Anrufbeantworter. Und als Frau Rothe am Abend eine der Sprechstundenhilfen erreichte, teilte die ihr mit, dass Herr Rothe die Praxis kurz nach eins verlassen habe. »Er wollte nach Hause, das hat er mir noch erzählt.«
    Danach rief Frau Rothe sämtliche Freunde, Verwandte und Bekannte an. Keiner hatte ihren Mann gesprochen oder gesehen. Sie telefonierte mit den Krankenhäusern der Umgebung. Fehlanzeige.
    »Ruf die Polizei an«, sagte Moritz.
    »Ach, das ist bestimmt übertrieben«, meinte seine Mutter. »Wahrscheinlich hat er einfach vergessen, dass wir verabredet waren. Er hat sich spontan mit irgendjemandem verabredet oder ist in die Stadt gefahren …«
    »Ohne dir Bescheid zu geben?«, sagte Sophia. »Und dann schaltet er auch noch sein Handy ab? Das ist doch gar nicht seine Art. Moritz hat Recht, Mama. Ruf die Polizei an.«
    Frau Rothe weigerte sich, bis Sophia ihr die dritte Mail zeigte, die sie und Moritz bekommen hatten. Ratlos starrte sie auf den Ausdruck. »Ich verstehe nicht, was das soll. Was hat das mit eurem Vater zu tun?«
    Moritz zuckte die Schultern. »Woher sollen wir das wissen? Auf jeden Fall scheint da jemand ein Problem mit ihm zu haben.«
    »Hast du denn keine Ahnung, wer das geschrieben haben könnte?«, fragte Sophia.
    »Das ist ein Zitat aus der Bibel«, meinte ihre Mutter. »Glaub ich, jedenfalls. Aber warum mailt jemand so was? Und ausgerechnet an euch beide?«
    »Wir haben ja nun nicht viel gemeinsam«, sagte Moritz. »Außer unseren Eltern.«
    Und Felix, dachte Sophia. Aber das stimmte ja gar nicht. Felix gehörte nur zu Moritz, mit ihr hatte er nichts mehr zu tun.
    »Ich ruf jetzt die Polizei an«, verkündete Frau Rothe und wählte die Nummer der nächsten Polizeiwache und erklärte dem diensthabenden Beamten, was geschehen war. Zwei Minuten später legte sie wieder auf.
    »Ich soll bis morgen Nachmittag warten«, erklärte sie. »Bevor er nicht mindestens vierundzwanzig Stunden weg ist, unternehmen die gar nichts.«
    »Das gibt’s doch nicht!« Moritz war empört. »Bis dahin kann doch alles Mögliche passiert sein.«
    »Wahrscheinlich hat der Mann Recht.« Frau Rothe schüttelte den Kopf. »Bestimmt kommt er gleich nach Hause.« Aber es lag Unsicherheit in ihrer Stimme und in ihrem Blick, und Sophia wusste, dass sie ihre Worte selbst nicht glaubte.
    Kurz vor Mitternacht kam Moritz zu Sophia ins Zimmer. Sie lag schon im Bett, aber er schaltete einfach das Licht an, marschierte durch den Raum und ließ sich auf ihrem Schreibtischstuhl nieder, so wie sie es vorhin bei ihm gemacht hatte.
    »Hey!« Sophia richtete sich empört auf.
    »Komm schon. Du kannst doch auch nicht schlafen.«
    »Was willst du?«
    »Nachdenken.«
    »Und dazu brauchst du mich?«
    »Was weißt du über Jochen?«, fragte Moritz. »Ich meine, über seine Vergangenheit.«
    Sophia kratzte sich hinter dem Ohr. »Er ist in der Nähe von München geboren.« Sie versuchte sich an den Namen des Dorfes zu erinnern und schaffte es nicht. Vor ein paar Jahren waren sie einmal durch den Ort gefahren, auf dem Weg

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