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Morgen wirst du sterben

Morgen wirst du sterben

Titel: Morgen wirst du sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gina Mayer
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er. Ich warte darauf, dass ich heulen muss, weil normalerweise muss ich immer heulen, wenn mir was wehtut. Aber heute nicht. Heute fühlen sich die Schmerzen irgendwie okay an.

12
    »Ich muss mit dir reden«, sagte Sophia. Sie watete durch das Klamottenchaos in Moritz’ Zimmer zu seinem Schreibtischstuhl.
    Ihr Bruder lag auf dem Bett, die Arme hinter dem Nacken verschränkt, den Blick starr zur Decke gerichtet, und reagierte nicht.
    »Bist du tot?«, fragte Sophia.
    »Was willst du?«, fragte Moritz gedehnt.
    »Es geht um diese Mails«, sagte Sophia. Einfach so. Sie hatte gar keine Ahnung, ob Moritz tatsächlich ebenfalls anonyme Drohbriefe erhielt. Es war nur eine vage Vermutung. Ein Schuss ins Blaue, der aber ganz offensichtlich ins Schwarze getroffen hatte. Moritz fuhr hoch, als ob Sophia sein Bett unter Strom gesetzt hätte.
    »Was?«, fragte er tonlos. »Woher weißt du davon?«
    »Dreimal darfst du raten«, sagte Sophia.
    Moritz war aber ganz offensichtlich nicht zum Raten aufgelegt. Er starrte Sophia an, als versuchte er sich krampfhaft zu erinnern, wo er ihr Gesicht schon einmal gesehen hatte.
    »Gott spart das Unglück des Gottlosen auf für dessen Kinder. Er vergelte es ihm selbst, dass er’s spüre«, sagte Sophia. Das war die letzte Mail, die sie heute Nachmittag nach der Schule erhalten hatte. Danach hatte sie beschlossen, mit Moritz zu reden.
    Moritz schüttelte unwillig den Kopf und ließ sich wieder zurück aufs Bett fallen. »Was soll der Blödsinn?«, knurrte er.
    »Ich sehe dich«, zitierte Sophia aus einer früheren Mail. »Vergiss mich nicht.«
    Diese Worte sprachen ihn offensichtlich eher an, denn jetzt richtete er sich wieder auf.
    »Warst du an meinem Computer?«, fragte er misstrauisch.
    »Würde ich doch niemals wagen.«
    »Woher kennst du dann diese Mail?«
    »Ich krieg denselben Müll.«
    »Du? Was hast du denn mit der Sache zu tun?«
    »Das frage ich mich allerdings auch. Weißt du denn, worum es hier geht? Also, ich hab keinen blassen Schimmer.«
    Sie reichte ihm die drei ausgedruckten Mails. Stirnrunzelnd las er, dann schüttelte er den Kopf.
    »Was steht denn in deinen Mails?«, fragte Sophia.
    »Ich hab nur zwei gekriegt. Und eine SMS . Im Grunde war es der gleiche Text wie bei dir. Ich vergesse euch nicht. Ihr werdet mich nicht los. Und dieses Datum. 2. Juli. Das kam bei mir auch vor.«
    »Und? Worum geht es?«
    Moritz’ Augen wurden ganz schmal. »Woher soll ich das wissen?«
    »Komm, Moritz, hör auf mit dem Scheiß! Gerade eben hast du mich gefragt, was ich mit der Sache zu tun habe. Mit welcher Sache? Was meinst du?«
    Er starrte über ihre Schulter zum Fenster.
    »Der Typ, der das geschrieben hat, ist irre«, fuhr Sophia fort. »Der hat Egon ertränkt. Und du weißt warum.«
    Moritz schluckte. Und schwieg.
    »Was ist passiert, Moritz?«, fragte Sophia leise.
    Er starrte auf seine Fingernägel, als gäbe es nichts Interessanteres auf der Welt.
    Sie beschloss, diesen Raum nicht zu verlassen, bis er ihr eine Antwort gegeben hatte. Und wenn es bis morgen Früh dauern würde. Sie legte ihre Füße auf seinen Schreibtisch und verschränkte die Arme vor der Brust. An der Wand tickte die Uhr.
    Nach einer Weile hob Moritz den Kopf und seufzte. »Ich hab ganz schön Scheiße gebaut«, sagte er.
    Im März war er frühmorgens von einer Party nach Hause gefahren. Mit dem Auto. Obwohl er viel zu viel getrunken hatte. Obwohl er beim Gastgeber hätte übernachten können. Obwohl es geregnet und gefroren hatte und die Straßen spiegelglatt waren.
    »Aber ich hatte mich total mit Tina gezofft und wollte nur noch weg.« Tina war Moritz’ Exfreundin. »Ich bin super langsam gefahren, wirklich«, erklärte er. »Aber plötzlich war dieser Radfahrer vor mir auf der Straße. Ein Rennrad ohne Licht und der Typ war auch noch dunkel angezogen. Morgens um zwei oder drei. Ich mein, ich hatte doch keine Chance! Auch wenn ich vollkommen nüchtern gewesen wäre, hätte ich den mitgenommen.«
    »Du hast ihn umgefahren?«, fragte Sophia, als Moritz innehielt.
    »Ich hab ihn angetitscht«, meinte er schließlich. »Glaub ich wenigstens.«
    »Glaubst du«, wiederholte Sophia ungläubig. »So was merkt man doch, oder etwa nicht?«
    »Es hat so ein bisschen … gerumpelt«, gab Moritz zu. »Ich hab in den Rückspiegel geguckt, aber da war nichts.«
    »Wie meinst du das … Da war nichts?«
    »Ich hab den Radfahrer nicht mehr gesehen.«
    »Weil er blutend auf der Straße lag«, meinte Sophia.
    Moritz zuckte

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