Morgen wirst du sterben
sie es mit dem Risotto verglich, den ihr Marianne am vergangenen Wochenende aufgetischt hatte. Kein Wunder, dass Sophia Gewichtsprobleme hatte.
»Ich hab noch mal nachgedacht«, sagte Sophia.
»Worüber?«, erkundigte sich Moritz.
»Über Papa natürlich. Und dass wir so wenig über ihn wissen. Ich meine, über seine Vergangenheit.«
»Und?«
»Da war doch dieser Typ, der uns vor ein paar Jahren besucht hat. Erinnerst du dich noch, Mama? Dieser Freund von Papa aus Frankfurt?«
Frau Rothe runzelte die Stirn. »Keine Ahnung, von wem du sprichst.«
»Papa und er haben zusammen studiert. Er war wegen der Messe in Düsseldorf und hat uns zum Kaffeetrinken besucht. Das kannst du doch nicht vergessen haben. So ein fetter Kerl mit Vollbart.«
»Ach richtig! Der Urologe. Wie hieß er noch mal? Thorsten oder so.«
»Und weiter?«
»Warum interessiert dich das denn?«
»Ich will wissen, wie Papa früher so war.«
»Na, hör mal!«, sagte ihre Mutter unbehaglich. »Wie soll er schon gewesen sein. Überlass diese Nachforschungen doch der Polizei.«
»Becker hat mir erzählt, dass die alle Patientinnen überprüfen wollen«, sagte Moritz. »Ob vielleicht eine darunter ist, die sich für eine schlechte Behandlung rächen wollte. Oder für irgendwas anderes.«
»Unterliegt so was nicht dem Datenschutz?«, fragte Julie. »Ärztliche Schweigepflicht und so?«
»Die Untersuchungsergebnisse schon, aber die Namen und Adressen nicht. Auf jeden Fall wird die Polizei ganz schön lange beschäftigt sein, bis sie die ganze Kartei durchhaben.«
»Es kann doch nicht schaden, wenn wir diesen Thorsten mal anrufen«, beharrte Sophia. »Vielleicht weiß er ja was.«
»Was soll er denn wissen?«, fragte Frau Rothe.
»Wie hieß dieser Thorsten mit Nachnamen?«
Frau Rothe runzelte die Stirn. »Brutzler«, sagte sie dann widerwillig. »Er schreibt uns jedes Jahr eine Weihnachtskarte, aber sonst haben wir keinen Kontakt zu ihm.« Sie stand auf. »Möchte jemand noch Eis? Oder einen Espresso?«
»Für mich nicht«, sagte Julie. »Aber vielen Dank für das Essen.«
»Bitte«, sagte Frau Rothe. »Beste Zutaten. Alles aus unserem Bioladen.« Sie wollte noch etwas hinzufügen, aber stattdessen begann sie zu weinen. Moritz erhob sich bestürzt, legte einen Arm um seine Mutter und führte sie nach draußen.
Sophia und Julie schwiegen betreten.
»Sie ist total mit den Nerven runter«, sagte Sophia.
»Kann man verstehen«, murmelte Julie.
Sophia schenkte Wein nach. »Kannst du den nicht mal googeln?«, fragte sie und wies dabei mit dem Kinn auf Julies Smartphone.
»Wen?«
»Diesen Urologen. Thorsten Brutzler aus Frankfurt.«
Julie tippte den Namen ein und fand die Adresse der Praxis und eine private Telefonnummer. »Willst du ihn etwa jetzt anrufen? Es ist fast zehn.«
»Ist ja auch ein Notfall.«
»Was willst du ihn denn fragen?«
»Na, ich erzähl ihm, was passiert ist. Mal sehen, was ihm dazu einfällt.«
Julie reichte ihr das Handy. »Bitte sehr.«
Als Sophia die Nummer wählte, kam Moritz wieder ins Zimmer. »Was soll das denn jetzt?«, fragte er, aber Sophia hob eine Hand und brachte ihn zum Schweigen.
Ihr Gespräch mit Brutzler war recht kurz, sie fasste die Ereignisse der letzten Tage zusammen, lauschte, fragte nach, hörte wieder zu. Nach ein paar Minuten legte sie auf.
»Und?«, fragte Moritz.
»Er kann es sich auch nicht erklären. Papa war ein ganz normaler Student. Recht ehrgeizig, aber beliebt. Vor allem bei den Frauen.« Sie verzog das Gesicht. »Er hatte wohl ziemlich viele Freundinnen. Aber Namen konnte Brutzler mir keine nennen. Waren wohl zu viele.«
»Fehlanzeige also«, konstatierte Julie.
»Es gab einen Freund, mit dem Papa immer zusammen war«, meinte Sophia. »Werner hieß er.«
»Werner? Und wie weiter?«
»Das wusste Brutzler nicht mehr. Er selbst kannte diesen Werner auch kaum und nach dem Studium hat er ihn aus den Augen verloren. Aber er sagte, dass die beiden unzertrennlich waren. Er hat versprochen, mich anzurufen, wenn ihm noch was einfällt.« Sophia seufzte, während sie Julie ihr Handy wieder zurückgab. »Also, das hat sich doch gelohnt, oder? Jetzt sind wir doch schon einen gewaltigen Schritt weiter.«
»Herzlichen Glückwunsch«, sagte Moritz. »Wahrscheinlich hat ihn dieser Werner entführt. Er ist schwul und in Jochen verliebt und der hat ihm mit seinen Frauengeschichten das Herz gebrochen.« Er gähnte. »Nehmt’s mir nicht übel, Mädels. Aber ich geh jetzt schlafen. Ich bin
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