Morgendaemmerung der Liebe
Amanda ins Wohnzimmer und drückte sie in den Sessel vor dem lodernden Kaminfeuer. Dann ging sie nach oben ins Bad, um Handtücher und einen flauschigen Bademantel für Amanda zu holen. „Hier. Ziehen Sie die nassen Sachen aus. Ich mache uns einen heißen Tee.“
Als Jessica mit den beiden Bechern zurückkam, hatte Amanda sich im Bademantel auf dem Sessel zusammengerollt. Ihre Hand zitterte, als sie den Tee von Jessica entgegennahm. Sie war schmal geworden, fiel Jessica auf. Auch den gehetzten Ausdruck in den blauen Augen hatte sie beim ersten Mal nicht gesehen.
„Ich gehe davon aus, dass Sie nicht mit Ihrer Mutter wegen der Weihnachtseinkäufe in London sind“, hob sie trocken an und setzte sich in einen Sessel Amanda gegenüber.
Amanda richtete ihre Augen verzweifelt auf Jessica, dann schüttelte sie den Kopf. „Nein. Ich … ich gehe nicht mehr nach Hause zurück.“
Das hatte Jessica schon in dem Moment vermutet, als sie die junge Frau völlig aufgelöst vor ihrer Haustür stehen sah. „Ich verstehe“, sagte sie nur. „Wissen Ihre Eltern, wo Sie sind?“
Wieder schüttelte Amanda den Kopf. „Nein, und sie dürfen es auch nicht erfahren. Sonst wird mein Vater mich holen, und dann zwingt er mich, Jake zu heiraten!“
Die Tränen strömten über ihre Wangen. Jessica versuchte, den Sinn der letzten Worte zu verarbeiten.
„Zwingen?“
„Letzte Woche hatten wir einen fürchterlichen Streit deswegen. Ich mag Jake, aber ich will ihn nicht heiraten. Ich möchte überhaupt niemanden heiraten! Noch nicht! Ich will meine Freiheit genießen, reisen, etwas aus meinem Leben machen! Mein Vater versteht nicht, warum ich kein Püppchen werden will wie meine Mutter, die sich auf Händen tragen lässt. Aber so bin ich nicht, ich will unabhängig sein!“
„Nun, das verstehe ich“, versuchte Jessica, das Mädchen zu beruhigen. Insgeheim fragte sie sich, wie Amandas Vater hatte so dumm sein können, seine Tochter mit seinen Erwartungen aus dem Haus zu treiben. „Sie haben mir ja schon gesagt, dass Ihr Vater Jake für den perfekten Ehemann hält, aber … Amanda, überlegen Sie doch einmal in Ruhe. Jake hat da doch auch noch ein Wörtchen mitzureden. So wie ich ihn kenne, glaube ich wirklich nicht, dass er Sie gegen Ihren Willen in eine Ehe drängt.“
„Das hatte ich auch gedacht“, schluchzte Amanda. „Aber gestern Abend sprach er nur davon, dass er eine Frau braucht, um seinem Vater einen Enkel schenken zu können.“ Ein Schauder überkam sie. „Es war schrecklich, Jessica. Ich habe Jake immer gemocht, vielleicht sogar …“, sie errötete, „… nun, vielleicht sogar ein wenig mehr als gemocht. Er ist so anders als die Jungen, die ich kenne. Vor allem kann er sich gegen meinen Vater behaupten … Aber als ich ihn dann gestern reden hörte, wie er sich seine Frau vorstellt, welches Leben sie führen wird …“ Sie schüttelte sich. „Das war regelrecht mittelalterlich!“
„Haben Sie ihm gesagt, welchen Druck Ihr Vater auf Sie ausübt?“
„Das wollte ich, aber dazu bin ich nie gekommen. Ich kann ihn nicht heiraten, Jessica. Ich will es nicht.“ Ein neuer Schwall Tränen rann über ihr Gesicht.
Jessica betrachtete den gebeugten Kopf des Mädchens, und ihr Herz füllte sich mit Bitterkeit. Wie konnte Jake überhaupt in Betracht ziehen, ein Kind zu heiraten? Denn viel reifer war Amanda nicht.
„Bitte, darf ich hierbleiben?“
„Ich denke, mir bleibt wohl keine andere Wahl, oder? Schließlich kann ich Sie schlecht in einer kalten, regennassen Nacht vor die Tür setzen.“ Jessica lächelte dünn und wurde mit einer ungestümen Umarmung belohnt. „Heute Nacht bleiben Sie hier, Amanda, aber morgen rufen Sie Ihre Eltern an und lassen sie wissen, wo Sie sind. Sie kommen vor Sorge wahrscheinlich fast um.“ Im Stillen hoffte sie, dass Amandas Eltern jetzt begriffen hatten, dass ihre Tochter nicht reif genug für eine Ehe war.
„Sie zwingen mich, mit ihnen zurückzufahren und Jake zu heiraten.“
„Nicht unbedingt. Sie sind schließlich volljährig“, rief Jessica dem Mädchen in Erinnerung.
„Reden Sie mit meinen Eltern? Bitte“, flehte Amanda. „Sie können ihnen das erklären, auf Sie werden sie hören.“
Jessica zweifelte daran. Aber da ihr überraschend aufgetauchter Gast schon wieder am Rande eines Weinkrampfs stand, nickte Jessica nur unbestimmt. „Ich schlage vor, Sie rufen sie morgen an, und wenn sie dann herkommen …“
„Dann sagen Sie ihnen, dass ich Jake nicht heiraten
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