Morgendaemmerung der Liebe
schon antun? Er ist schließ lich nur ein Mann wie jeder andere.
Nur ein Mann … Die eigenen Worte schienen sie zu verspotten. Jake war nicht irgendein Mann. Er war der Mann. Der Eine. Der Richtige. Spätestens seit dem Wochenende bei Beth wusste sie es mit absoluter Sicherheit.
Sie brauchte ihn nur zu sehen, und ihre Selbstbeherrschung zerbarst in tausend Scherben. Das körperliche Verlangen, das er in ihr geweckt hatte, als sie achtzehn war, schien mit den Jahren noch gewachsen zu sein.
Sich von ihm zurückzuziehen, schien nicht die Lösung gewesen zu sein, im Gegenteil. Dadurch hatte er immer wieder ihre Gedanken, ihre Begierde beherrscht. Wahrscheinlich wäre sie besser damit gefahren, sich einen Liebhaber nach dem anderen ins Bett zu holen. Doch dazu war sie zu zurückhaltend. Lächerlich eigentlich, wenn sie daran zurückdachte, welche intensiven Gefühle Jake damals in ihr geweckt hatte. Wie leidenschaftlich sie bei diesem einen Mann war, während sie allen anderen die kalte Schulter zeigte! Bisher hatte sie immer ignoriert, wie gefühlskalt sie auf Männer reagierte – bis sie Jake bei Beth getroffen hatte. Alle Zeichen der Lust waren vorhanden gewesen: der rasende Puls, das innere Ziehen, das Prickeln auf der Haut, die sich nach seiner Berührung sehnte.
Arbeit, sagte sie sich in Gedanken, war das beste Gegenmittel. Arbeit, Arbeit und nochmals Arbeit.
4. KAPITEL
„Sag mal, was ist eigentlich mit dir los?“, fragte Ralph entnervt. „Seit letzter Woche arbeitest du, als gäbe es kein Morgen mehr.“
„Ein plötzlicher Energieschub.“ Jessica sortierte die Arbeitsaufträge, die auf ihrem Schreibtisch lagen. „Vor Weihnachten wollen alle Leute noch möglichst schnell ihre Wohnung renoviert haben. Du weißt doch, wie das ist.“
„Ja, ich weiß, wie das ist“, ahmte Richard sie nach. „Aber ich habe dich noch nie so gesehen. Du bist ja völlig überdreht. Langsam fange ich an, mir Sorgen um dich zu machen. Du musst auf die Bremse treten.“ Er musterte sie durchdringend. „Ich vermute, es gibt Probleme mit einem Mann.“
„Kümmere dich um deine eigenen Angelegenheiten.“
Ihr schroffer Ton ließ ein Grinsen auf seinem Gesicht erscheinen. „Ah, ich habe also ins Schwarze getroffen! Willkommen in der menschlichen Rasse. Ich dachte wirklich schon, du wärst von einem anderen Planeten. Wer ist es? Kenne ich ihn?“
„Wenn wir diese beiden Aufträge umstellen, können wir die Bensons in der nächsten Woche noch einschieben …“
„Aha, du willst es mir nicht sagen. Dann muss es etwas Ernstes sein.“ Ralph sah auf seine Armbanduhr. „Wir müssen noch zu der Cocktailparty der Johnsons. Wir haben versprochen zu kommen.“
Jessica runzelte die Stirn. Das hatte sie völlig vergessen. Die jungen Leute feierten heute ihre Einstandsparty in dem Haus, das Jessica und Ralph für sie eingerichtet hatten. Howard Johnson arbeitete für einen privaten Fernsehsender, seine Frau Elena in der Werbebranche. Die beiden waren begeistert gewesen von der Arbeit, die Jessica und Ralph geleistet hatten. Außerdem könnte dieser Abend wahrscheinlich eine ganze Reihe neuer Kunden bringen. Dennoch, Jessica wollte Ralph vorschlagen, besser allein hinzugehen …
„Oh nein, kommt nicht infrage. Du kommst mit.“ Ralph hatte offensichtlich ihre nachdenkliche Miene richtig gedeutet. „Hier geht’s ums Geschäft. Zudem wären die Johnsons wirklich beleidigt, wenn wir uns nicht blicken ließen.“
„Die wollen doch nur mit uns als ihrer neuen Entdeckung angeben.“
Ralph tat ihre beißende Bemerkung mit einem Schulterzucken ab und musterte Jessica kritisch. „So ist nun mal das Geschäft, oder? Und bisher hat es dir auch nie etwas ausgemacht.“
„Du hast recht, entschuldige. Ich bin nur müde und gereizt.“
„Du hast dich übernommen, was?“ Zwar hatte er ihr auf den Kopf zugesagt, dass es da wohl einen Mann in ihrem Leben geben müsse, aber wenn er Jessica genauer betrachtete … von einem verliebten Strahlen war bei Jessica nichts zu bemerken, im Gegenteil. Sie sah ausgelaugt und übermüdet aus, und abgenommen hatte sie auch. Ihre ganze Haltung signalisierte Anspannung. Irgendetwas stimmte nicht, aber er kannte Jessica gut genug, um zu wissen, dass sie ihm nichts verraten würde. Das war einfach nicht ihre Art.
Wenn sie sich tatsächlich verliebt hatte, dann war sie nicht glücklich darüber. Vielleicht ein verheirateter Mann? Nein, das war auch nicht ihr Stil. Plötzlich fiel Ralph auf, wie wenig er
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