Morgendaemmerung der Liebe
will.“
„Nein, das werden Sie selbst tun, Amanda“, verlangte Jessica. Sie holte tief Luft und wiederholte noch einmal fest: „Denken Sie immer daran, dass Sie nach dem Gesetz volljährig sind. Und wenn sich Ihre Eltern partout nicht von dieser Idee abbringen lassen … nun, es gibt ein Gästezimmer im Haus.“
„Sie meinen, ich darf bei Ihnen wohnen?“
Jessica fragte sich ernsthaft, auf was sie sich hier einließ. „Darüber reden wir morgen weiter“, beendete sie das Gespräch entschlossen.
Als Jessica das Geschirr weggeräumt hatte, war es inzwischen elf Uhr. Obwohl Amanda es bestritt, war offensichtlich, dass das Mädchen erschöpft und müde war. Es würde den Eltern nicht schaden, wenn sie sich eine Nacht Gedanken um ihre Tochter machten, entschied Jessica. Und außerdem hatte sie um diese Uhrzeit wirklich weder Lust noch Energie, sich mit einem aufgeregten Elternpaar auseinanderzusetzen.
Während sie in ihrem Kleiderschrank nach frischer Kleidung für Amanda suchte, fragte sie: „Wie sind Sie überhaupt nach London gekommen, Amanda?“
Als keine Antwort kam, schaute sie zu ihrem jungen Gast. Amanda hatte eine trotzige Miene aufgesetzt.
„Per Anhalter.“
Dieses Mädchen war also noch rebellischer, als Jessica angenommen hatte. Es würde nie die Ehefrau werden, die Jake sich vorstellte!
„Sie brauchen mich gar nicht so vorwurfsvoll anzusehen!“, verteidigte sich Amanda eigensinnig. „Der Autofahrer war der perfekte Gentleman, das habe ich sofort erkannt.“
„Wirklich?“ Der plötzliche Ärger, den Jessica verspürte, erstaunte sie. „Und wenn er es nicht gewesen wäre, Amanda? Wäre das dann nur eine weitere Art gewesen, um Ihre Eltern zu bestrafen?“
Beschämt und verlegen zupfte Amanda mit niedergeschlagenem Blick am Gürtel des Bademantels.
„Nun, mir steht es wohl nicht zu, Ihnen eine Standpauke zu halten“, gab Jessica trocken zu. „Sie haben es ja heil und sicher hierher geschafft. Versuchen Sie zu schlafen, und morgen rede ich mit Ihren Eltern.“
Als Jessica in ihr Bett schlüpfte, fragte sie sich, ob sie noch bei Verstand war. Im Vergleich zu Amanda fühlte sie sich alt und weise. Und ihre Überzeugung, dass das Mädchen nicht die richtige Frau für Jake war, hatte absolut nichts mit Eifersucht zu tun.
Jake. Er würde es ihr nicht danken, dass sie sich in seine Angelegenheiten einmischte. Alarmiert erschauerte sie, als ihr das klar wurde. Aber welche Alternative blieb ihr denn? Sie konnte Amanda schließlicht nicht auf die Straße setzen. Und ihr Gewissen ließ nicht zu, dass sie das Mädchen einfach zu seinen Eltern zurückbrachte. Sie wollte wenigstens den Versuch unternehmen zu helfen.
„Guten Morgen. Ich hab Kaffee für Sie gemacht.“
Amanda stand an Jessicas Bett, das blonde Haar in einem ordentlichen Pferdeschwanz zusammengebunden, ein fröhliches und unbeschwertes Lächeln auf den Lippen.
Jessica stützte sich auf einem Ellbogen auf und betrachtete ihren Gast. Die Heilkräfte der Jugend sind schon erstaunlich, dachte sie leicht frustriert. „Wie spät ist es?“ Sie erschrak, als sie auf die Uhr sah. „Ich muss im Büro Bescheid sagen, dass ich heute nicht komme.“ Sie richtete einen strengen Blick auf Amanda. „Und dann rufen wir Ihre Eltern an.“
Caroline Farmer, Amandas Mutter, schluchzte erleichtert, als sie erfuhr, dass ihre Tochter gesund, munter und in Sicherheit war. Jetzt meldete sich Jessicas Gewissen. Vielleicht hätte sie doch noch gestern Abend Bescheid geben sollen. Von der anderen Seite des Zimmers aus beobachtete Amanda sie unablässig. Als Jessica bat, mit dem Vater reden zu dürfen, verdüsterten sich die blauen Augen des Mädchens voller Furcht.
In den vergangenen Jahren hatte Jessica gelernt, mit befehlsgewohnten wütenden Männern umzugehen. Ihre kühle sachliche Stimme unterbrach schon bald Gerald Farmers Tirade.
Nüchtern schilderte sie ihm den Grund, aus dem seine Tochter bei ihr in London aufgetaucht war. Dann schlug sie vor, dass er und Amandas Mutter kommen könnten, um das Thema mit Amanda persönlich zu besprechen. Diese Regelung sei wohl für alle Beteiligten von Vorteil.
Für diese Idee handelte sich Jessica einen weiteren Wutausbruch ein. Gerald Farmer verlangte zu wissen, was sie die ganze Sache angehe.
„Nichts“, erwiderte sie beherrscht. „Aber Amanda ist eine erwachsene Frau. Außerdem habe ich ihr angeboten, bei mir zu bleiben, falls sie das Gefühl hat, nicht mehr zu Ihnen zurückkehren zu
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