Morgendaemmerung der Liebe
den Raum. Als er sich aufrichtete und sie sah, musterte er Jessica von Kopf bis Fuß.
„Wie kommt es, dass ein so schlichtes und züchtiges Kleid auf mich die gleiche Wirkung ausübt, als ständest du ohne jegliches Stück Stoff vor mir?“
Sein distanzierter Ton machte es Jessica unmöglich, etwas darauf zu erwidern. Mit einem einzigen Satz hatte er Barrieren niedergerissen, die sie mit der Wahl des Kleides zwischen ihnen hatte aufbauen wollen. Sie hatte geglaubt, sich in dem Kleid sicher fühlen zu können, weniger begehrt. Jetzt konnte sie nichts anderes tun, als ihn stumm anzuschauen, während er Champagner einschenkte und mit den gefüllten Gläsern auf sie zukam.
8. KAPITEL
„Noch Champagner?“
Jessica unterdrückte den Impuls, Ja zu sagen. Stattdessen schüttelte sie den Kopf und stocherte in ihrer Mousse au Chocolat.
Von dem gesamten Dinner hatte sie kaum einen Bissen herunterbekommen. Nachdem sie den ganzen Tag wenig gegessen hatte, spürte sie nach zwei Gläsern Champagner schon einen leichten Schwips. Es wäre der perfekte Ausweg, so viel Champagner zu trinken, dass sie sich ohne Skrupel und Hemmungen von Jake verführen lassen könnte. Doch der Stolz – der gleiche Stolz, der sie damals auch dazu gebracht hatte, fortzulaufen – hielt sie zurück. Sie wollte sich nicht mit Alkohol betäuben.
Als sie Anstalten machte aufzustehen, war Jake sofort bei ihr, um ihren Stuhl zurechtzurücken. Unmerklich verspannte sie sich.
„Ich bin recht müde. Ich denke, ich werde zu Bett gehen.“
Himmel, wie schwer es war, diese Worte über die Lippen zu bringen! Sie wich Jakes Blick aus.
Als er gewandt beiseitetrat, um ihr den Weg freizumachen, blitzten die Diamanten an seinen Manschettenknöpfen im Schein des Kaminfeuers auf. Jessica erschauerte. Er trug sie absichtlich, das wusste sie. Doch was wollte er ihr damit sagen?
Ohne zurückzublicken, stieg sie die Treppe hinauf, dennoch spürte sie Jakes Blick. Ganz sicher genießt er meine Verlegenheit, dachte sie bitter. Aber mehr Schwächen, die er würde genießen können, wollte sie ihm nicht gönnen! Falls er sie auch nur berührte … Was würde sie dann tun? Sich mit Händen und Füßen wehren? Er war doppelt so stark wie sie. Regungslos so tun, als schliefe sie schon? Konnte sie das überhaupt?
Es war nicht gelogen, als sie behauptet hatte, sie sei müde. Die Aufregung wegen der Hochzeit, der emotionale Druck, unter dem sie seit Wochen stand, die Tatsache, dass sie in den letzten drei Tagen kaum etwas gegessen hatte … Ihre Kraftreserven waren aufgebraucht.
Jetzt kostete die kleinste Bewegung Mühe, ihre Muskeln schmerzten vom Sitzen im Flugzeug und der langen Taxifahrt zum Hotel. Sie wollte nur noch bei einem heißen Bad entspannen und sich dann in die Bettdecke kuscheln.
Glücklicherweise gab es neben dem Whirlpool auch eine normale Badewanne.
Die Tür ließ sich allerdings nicht abschließen. Vermutlich brauchte man das in einem Chalet mit nur einem Schlafzimmer auch normalerweise nicht.
Was war nur mit ihr los, fragte sie sich, als sie den Wasserhahn aufdrehte und begann, sich auszuziehen. Jake war nicht der Typ, der einfach ins Bad kam und ihre Privatsphäre störte. Nein, er nutzte viel ausgefeiltere Methoden. Wahrscheinlich genoss er es im Moment sogar, sie noch länger auf die Folter zu spannen.
Das Ganze war so albern. Schließlich hatten sie schon miteinander geschlafen, sie kannte seinen Körper ebenso gut wie ihren eigenen. Es war absolut lächerlich, so nervös zu sein. Das war sie nicht einmal mit achtzehn gewesen, trotz ihrer Unerfahrenheit. Aber damals hatte sie auch noch geglaubt, Jake würde sie lieben, und sie wäre sicher und geborgen. Jetzt allerdings fühlte sie sich bedroht und verletzlich.
Auf dem Wannenrand stand ein großes Glasgefäß mit Badesalz. Jessica gab ein wenig davon in die Wanne und genoss den Duft nach Rosen, der sofort mit dem Wasserdampf aufstieg. Mit einem wohligen Seufzer ließ sie sich in das warme Wasser gleiten. Es war paradiesisch! Müde schloss sie die Augen. Sie hätte ewig hier so liegen können …
Doch plötzlich hörte sie die Schlafzimmertür, und mit einem Ruck riss sie die Augen auf. Innerhalb von Sekunden war sie aus der Wanne gestiegen, hatte sich abgetrocknet und sich schnell etwas Leichtes über ihre noch feuchte Haut gestreift. Sie sammelte ihre Kleidung ein, stand da und starrte unentschlossen auf die Tür. Schließlich zuckte sie ergeben mit den Schultern. Sie konnte schließlich
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