Morgengrauen
aufgeklärt. »Das ist ja wohl typisch Mann! Jetzt okkupiert ihr auch noch unsere letzten Freiräume!« Dem Jargon nach musste es sich wohl um eine Sozialpädagogikstudentin der Berufsakademie handeln.
»Ul-ul«, antwortete der OB, um sich dann endlich wieder zu konzentrieren. Dieser verdammte Morgenstern! Er tastete sich zum Handtuchhalter, wischte die Brille ab, setzte sie auf und blickte die Studentin an: »Entschuldigen Sie vielmals. Keineswegs wollte ich …«
Wie peinlich! Gedanken schossen ihm durch den Kopf: Wenn ihn jetzt sein ärgster Widersacher, der Stimmenkönig der Gemeinderatswahl, sehen würde, wie er in einer Damentoilette stand … Sicher würde der einen polemischen Leserbrief darüber im Kurier platzieren.
Der Oberbürgermeister wollte gerade zu einer Erklärung ansetzen, doch die Studentin – sie trug eine Nickelbrille und Birkenstock-Sandalen, wie er jetzt sehen konnte – beachtete ihn nicht weiter und ging in eine der Kabinen. Noch ehe das Stadtoberhaupt das stille Örtchen verlassen konnte, stieß sie einen schrillen Schrei aus. Und wie! »Hilfe! Schnell!«
Der OB folgte ihrer Aufforderung. Schon wieder glaubte er seinen Augen nicht zu trauen: In der Toilette lag eine regungslose Frau! Die Nickelbrillenstudentin krallte sich am Türrahmen fest. Sie war leichen-blass.
Nach dem Schrei war auch der vor der Toilette wartende Blonde hineingestürmt – offenbar hatte die Musik gerade Pause.
»Verdammt«, sagte der Mann, als er die Tote sah.
14. ENDE EINER PARTY
Hummel und Riesle waren mittlerweile zu hartem Alkohol übergegangen. Den drei oder vier Gläsern Bowle hatten sie zwei Caipirinha folgen lassen. Blieb noch zu klären, wer später das Auto steuern sollte, denn von einem Fest in der Polizeifachhochschule alkoholisiert nach Hause zu fahren war wohl kaum angebracht. Gerade als sie dabei waren, Kerstin und Elke schonend die Tatsache beizubringen, dass sie bereits fahruntüchtig waren, stürmte Didi wild fuchtelnd auf sie zu.
»Und? Was hat sie zu dem Brief gesagt?«, fragte Klaus geradeheraus.
Doch Didi war völlig außer Atem: »Tot … Toilette …«
Mit den Wortfetzen konnten sie nicht viel anfangen. Bäuerles Gesicht war von kleinen Schweißtröpfchen übersät und wies eine leichte Rötung auf.
Hubertus versuchte, sich einen Reim auf die Andeutung zu machen. »Du bist Claudia auf die Toilette gefolgt, richtig?«
Martina legte ihren Arm um Didis schweißnassen Nacken, was bei ihrem Größenunterschied nicht gerade einfach war. Es schien aber zu wirken.
Didi nickte: »Ja … das heißt: Ich bin ihr zur Toilette gefolgt und wollte ihr den Brief zeigen, wenn sie herauskommt.«
»Und? Was hat sie dazu gesagt?«, fragte Hubertus.
»Das ist es ja gerade! Dazu kam es nicht mehr. Irgendwann hörte ich einen lauten Schrei, bin in die Damentoilette gestürmt … und da lag sie regungslos in einer der Kabinen.«
»O Gott! Was ist mit ihr?«, fragte Kerstin ängstlich.
Als erfahrener Feuerwehrmann verfügte Didi über eine Sanitäterausbildung. Deshalb hatte er sich sofort um die Frau bemüht und konnte jetzt detailliert Auskunft geben.
»Ich habe Puls und Atem überprüft: nichts! Dann habe ich versucht, sie wiederzubeleben …« Er stockte, fasste sich dann aber wieder: »Aber da war nichts mehr zu machen.«
»Verdammt! Schon wieder eine Tote! Und das fast vor unseren Augen«, fluchte Klaus.
Kerstin brach in Tränen aus. Elke nahm sie tröstend in den Arm: »Das ist ja entsetzlich.«
Hubertus jedoch redete geradezu vorwurfsvoll auf ihn ein: »Und du wartest in aller Seelenruhe draußen und bekommst nichts davon mit, wie Claudia gerade auf der Toilette stirbt?!«
»Papi, was soll das denn jetzt!«, fiel Martina ihrem Vater mit dem stechenden Blick ihrer hellblauen Augen ins Wort.
Klaus mischte sich ein: »Didi, gab es denn irgendwelche Hinweise darauf, dass sie ermordet wurde?«
Doch bevor er die Antwort abwartete, nuschelte er über die Schulter zu Hubertus: »Ich meine, innerhalb kürzester Zeit sterben zwei Wissenschaftlerinnen aus derselben Fachhochschule, ja sogar aus demselben Büro. Zu viel Zufall.«
»Äh … keine Ahnung …«, stammelte Didi.
»Mensch, lass dir doch nicht jedes Wort aus der Nase ziehen. Hatte sie zum Beispiel irgendwelche Würgemale oder Wunden?«, ließ Klaus nicht locker.
Hubertus mischte sich ein: »Das bringt doch eh nichts. Lass uns lieber noch schnell selbst versuchen, zum Klo zu gelangen …«
»Dürfte schwierig werden«, war
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