Morgengrauen
Didi diesmal nicht um eine Antwort verlegen. »Da wimmelt es jetzt schon von Polizisten.«
Kein Wunder, dachte sich Klaus. Ein Mord auf dem Gelände einer Polizeifachhochschule … Sicher waren auch schon Hauptkommissar Müller und Winterhalter im Anmarsch.
Didi wischte sich mit ein paar Papierservietten, die ihm Martina gereicht hatte, den Schweiß aus Gesicht und Nacken. »Also, äußerlich ist mir nichts aufgefallen. Nur, dass sie extrem blass war. Spontan hab ich an einen Schock gedacht. Aber der führt ja nur selten in so kurzer Zeit gleich zum Tod. Und viel länger hab ich draußen nicht auf sie gewartet.«
Jetzt klappte es wieder mit dem Reden.
»Ist dir sonst noch was aufgefallen? Hat in der Zwischenzeit jemand die Toilette betreten oder verlassen?«, ließ Klaus nicht locker.
Hubertus hatte noch eine Zusatzfrage: »Oder hatte die Toilette ein Fenster?«
Klaus nickte anerkennend. Jetzt waren sie wieder in ihrem detektivischen Element. Und zwar so sehr, dass sie kein Auge mehr für ihre Begleiterinnen hatten.
»Ein Fenster gab es nicht. Aber da war tatsächlich jemand«, setzte Didi an, um dann jedoch erst mal einen kräftigen Schluck aus dem Apfelsaftschorleglas von Martina zu nehmen. »Ein Mann und eine Frau haben das Klo nach Claudia betreten …«
Klaus wurde ungeduldig: »Und, und?«
»Die Frau habe ich nicht gekannt, aber den Mann. Den kennt ihr übrigens auch!«
»Na also, dann haben wir wenigstens einen Tatverdächtigen. Ein Mann in der Damentoilette … Wer war der Typ?«, fragte Hubertus.
»Na, der OB! Der ist kurz nach Claudia in die Toilette rein.«
»Wie bitte?«, fragte Klaus.
Hubertus glotzte nur. Der OB als Mörder?
Die Tätersuche würde sich schwierig gestalten. Verenas Ex war auch nicht mehr aufzufinden und die Recherche für den Abend damit beendet, zumal die Party aufgrund des Vorfalls aufgelöst wurde und sie am Tatort wohl außer Beschimpfungen von Kommissar Müller nichts mehr erreichen würden.
Was also tun? Zunächst einmal Kerstin und Elke suchen, denn die waren plötzlich spurlos verschwunden. Martina hatte eine Erklärung: »Mama hat gesagt, ihr sollt euch ein Zimmer oder ein Taxi nehmen. Kerstin schläft bei ihr. Sie brauche jetzt eine meditative, ganzheitliche Betreuung. Ihr seid heute nicht mehr erwünscht.«
Klaus fasste einen Entschluss: »Dann nimmst du uns halt mit, Didi.« Er klatschte ihm kräftig auf die Schulter.
»Geht leider nicht. Wir sind mit meiner Moto-Guzzi da. Da gibt’s nur Platz für zwei.«
Nachdem ihm Hubertus dafür eine neuerliche Standpauke gehalten hatte – diesmal über die Gefahren des Motorradfahrens im Allgemeinen und für seine Tochter im Besonderen –, verabschiedete er sich zusammen mit Klaus in Richtung Zentralbereich.
Das Gebiet zwischen den beiden großen Stadtteilen nahm baulich nur allmählich Gestalt an. Noch immer gab es dort einsame Höfe, weite Felder und Äcker. Die beiden Freunde hatten vom Alkohol einen schweren Kopf, und außerdem brauchten sie etwas Ruhe, um die Ereignisse zu verarbeiten. Ein Spaziergang konnte also nicht schaden.
Zwei einsame Gestalten – eine große, etwas rundliche und eine hagerere, etwas kleinere – schlichen langsam in Richtung Villingen. Nach wenigen Hundert Metern kamen sie an einem rot angestrichenen rustikalen Haus vorbei – dem »Tabledance«-Lokal »Hölzlekönig«. Der Vorschlag kam von Klaus, doch auch Hubertus zierte sich nicht mehr als sonst: Gegen ein gerstensafthaltiges Getränk dort war nichts einzuwenden. Und sollte ihnen in dem Etablissement eine Stripperin in den Blick geraten, würden sie es eben in Kauf nehmen müssen …
15. DER FALL MACKENZIE
Es war wie das unaufhörliche Läuten der Villinger Münsterglocken am Sonntagmorgen. Kommissar Müller wirkte nervös und in Gedanken versunken. Ihm fiel gar nicht mehr auf, dass er immer noch mit seinem Löffel in der Tasse hin und her rührte, was sich akustisch als unaufhörliches »bing, bing, bing« äußerte. Und das, obwohl sich die drei Stücke Zucker und die zwei Schuss Kondensmilch bestimmt schon längst in Hirschbeins ausgezeichnetem Kaffee aufgelöst hatten. Davon hatte Müller bereits mindestens drei Kannen innerhalb weniger Stunden getrunken. Seine Müdigkeit hatte das allerdings nicht vertrieben, zudem wurde er immer unruhiger.
»Kollege«, kam es von links. »Selbscht wenn Sie den Kaffee vom Rühre kalt mache wolltet, könntet Sie jetzt aufhöre – Sie habet’s geschafft …«
Kommissar Winterhalter
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