Morgengrauen
Ordner um, sodass die beiden einen Blick darauf werfen konnten. »Des war die A’zoig. Zum Glück hät iser Azoigeleiter, der Herr Schwarz, heut’ frey.«
Leise las Klaus vor: »Schlanke, attraktive Brünette, Mitte/Ende 30, Akademikerin, intellektuell anspruchsvoll, sucht nach großer Enttäuschung geistvollen, sportlichen Partner, der es ernst meint. Melde dich unter Chiffre SC – 04873.«
17. ROSA
Auf dem Weg zu Hubertus versuchten sie, ihre Erkenntnisse zusammenzufassen. Sogar den Polizeifunk stellte Klaus aus diesem Grund ab.
»Also pass mal auf«, hatte sich Hummel als Erster strukturiert. »Wir haben einen Mord im Freibad. Eine erfolgreiche, einen Mann suchende Wissenschaftlerin wird erwürgt oder ertränkt, wobei sich der Täter Verletzungen zuzieht. Er plündert den Spind des Opfers, hinterlässt in der Nähe des Tatorts einen Fußabdruck und bricht schließlich auch noch in die Wohnung der Ermordeten ein.«
Klaus nahm den Faden auf, während er den Kadett mit Tempo neunzig am Ortsschild des Stadtbezirks Villingen vorbei die Schwenninger Steige herunterrasen ließ. »Dann haben wir eine weitere Wissenschaftlerin, die Kollegin der Ersten, die auf einer Studentenfete vergiftet wird, wenn der Polizeibericht stimmt. Ich vermute, dass man ihr etwas ins Glas getan hat. Selbstmord könnte natürlich auch sein, aber ist das realistisch? Dann wurde ihr jedenfalls schlecht, und sie ging zur Toilette – Didi immer hinterher. Dort ist sie dann umgekippt und gestorben …« Riesle überlegte weiter: »Beide Frauen waren etwa gleich alt, hatten die gleiche Haarfarbe, waren beruflich erfolgreich. Und privat? Soweit ich weiß, hatte diese Claudia keinen Freund.«
Hubertus zuckte mit den Schultern: »Meinst du, dass hinter dem Mord an Claudia eine Beziehungsgeschichte stecken könnte?«
»Ich bin noch nicht einmal sicher, ob hinter dem Mord an Verena eine Beziehungsgeschichte steckt«, gab Klaus zurück. Er rekapitulierte weiter: »Wir haben für den ersten Mord einen Zeugen; jedenfalls behauptet dieser Heimburger, dass er Zeuge gewesen sei. Er könnte aber auch der Mörder sein. Wir müssen den unbedingt finden … Und eigentlich müsste es auch für den zweiten Mord Zeugen geben. Ungefähr eintausend potenzielle jedenfalls – und einige davon sind Polizisten …«
Jetzt war Hubertus wieder an der Reihe, während der Kadett den Villinger Friedhof passierte.
»Vielleicht hat dieser Frank, der Ex von Verena, den Mord in Auftrag gegeben. Der scheint doch ohnehin Dreck am Stecken zu haben. Falls der Betrunkene auf der Fete mit seinen Vorwürfen recht hatte, hat der ja wohl seinen Doktortitel ergaunert. Ein prima Motiv. Solche Typen liebe ich ja! Und ich überlege mir jahrelang, ob ich auch noch den Doktor mache. Ich hatte sogar schon ein Thema: ›Novalis und seine Gedichte im Spiegel der …‹«
Klaus verdrehte die Augen und versuchte nachzudenken: »Klar ist doch: Der Brief, also die Antwort auf die Kontaktanzeige, bezog sich auf ein Inserat von Verena, wie wir jetzt wissen – und von ihr war auch die Bemerkung auf der Rückseite des Briefes. Aber von wem war der Brief? Und wie gehen wir weiter vor?«
Hubertus hatte den Monolog über seine abgebrochene akademische Karriere mittlerweile beendet. »Vielleicht hat der Brief auch gar nichts damit zu tun, und die Ähnlichkeit der Opfer ist schlicht Zufall.«
Doch Klaus hielt dagegen: »Wir haben den Brief. Der Brief war an Verena gerichtet, aber auch Claudia hatte Zugriff auf ihn. ›Das Licht wird bald verlöschen, die Rose zertrampelt werden.‹ So war diese handschriftliche Notiz – das ist eindeutig. Übrigens haben wir damit einen Ermittlungsvorsprung gegenüber Müller.«
»Stimmt. Und wenn der Brief tatsächlich der Schlüssel ist, dann müssten sich darauf doch auch die Fingerabdrücke des Mörders oder eines eventuellen Auftraggebers befinden, oder?«, theoretisierte Hubertus.
Klaus nickte: »Aber nicht nur die, sondern auch die Abdrücke von Verena und vielleicht auch die von Claudia und eventuell die der Putzfrau …«
»Das könnte natürlich auch sein. Aber trotzdem müssten wir das mal untersuchen lassen. Allerdings können wir wohl kaum Hauptkommissar Müller bitten, uns einen Gefallen zu tun.«
»Wohl kaum«, pflichtete Klaus schmunzelnd bei. Doch er hatte eine andere Idee. Vor zwei Jahren hatte er beim Kurier vier Wochen Vertretung in der Trossinger Redaktion machen müssen. In dem nicht einmal zehn Kilometer von Schwenningen
Weitere Kostenlose Bücher