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Morgenlied - Roman

Morgenlied - Roman

Titel: Morgenlied - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Random House
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seinen Visionen war sein Vater nicht vorgekommen, weder tot noch lebendig.
    Er hatte gebrechlich und alt ausgesehen, als sie ihn in den Krankenwagen geschoben hatten, dachte Gage. Ein gebrochener Mann. Es war nicht das richtige Bild. Es war nicht das Bild von Bill Turner, das Gage mit sich herumschleppte, so wie er das Foto seiner Mutter in der Brieftasche mit sich herumtrug.
    Das Foto, auf dem sie ewig jung war.
    In Gages Kopf war Bill Turner ein großer Mann mit einem dicken Bierbauch. Ein Mann mit harten Augen, hartem Mund und harten Händen. Das war Bill Turner.
    Wer zum Teufel war dann dieser gebrochene, blutende Mann im Krankenwagen vor ihm? Und warum fuhr er hinter ihm her?

    Alles verschwamm vor seinen Augen. Wie in Trance stieg er aus, als Fox vor der Notaufnahme hielt. Er nahm kaum wahr, was um ihn herum vorging. Wie von Ferne hörte er Telefone klingeln, ein blechernes, irritierendes Geräusch.
    Geh ans Telefon, dachte er, geh verdammt noch mal ans Telefon.
    Jemand redete auf ihn ein, überschüttete ihn mit Fragen. Mr Turner, Mr Turner, und er fragte sich, wie sie von seinem alten Herrn erwarten konnten, dass er Fragen beantwortete. Aber dann fiel ihm ein, dass er ja Mr Turner war.
    »Welche Blutgruppe hat Ihr Vater?«
    »Hat er Allergien?«
    »Nimmt er Medikamente? Drogen?«
    »Ich weiß nicht«, sagte Gage immer wieder. »Ich weiß nicht.«
    »Ich kümmere mich darum.« Cal ergriff Gages Arm. »Setz dich und trink einen Kaffee. Fox.«
    Man drückte ihm einen Kaffee in die Hand. Erstaunlich guter Kaffee. Er saß mit Cal und Fox in einem Wartezimmer. Graublaue Couch, Sessel. Im Fernseher lief irgendein Morgenmagazin.
    Als ob er aus einem Traum erwachte, stellte er auf einmal fest, dass er im Wartezimmer der Chirurgie saß. Sein Vater wurde operiert. Eine Schusswunde. Der alte Mann wurde operiert, weil er von einer Kugel getroffen worden war. Eigentlich hat sie mir gegolten, dachte Gage. Sie müsste eigentlich in mir stecken.
    »Ich muss ein paar Schritte laufen.« Als Fox aufstand,
um ihn zu begleiten, schüttelte Gage den Kopf. »Nein, ich muss nur ein bisschen an die frische Luft. Ich muss... ich muss einen klaren Kopf kriegen.«
    Er fuhr im Aufzug hinunter, ging an den Läden in der Eingangshalle vorbei und durch den Haupteingang hinaus.
    Viel los hier, dachte er. Der Parkplatz stand voller Autos, andere fuhren auf der Suche nach einer Parklücke herum. Es gab wohl eine ganze Menge kranker Leute. Wie viele von ihnen mochten ebenfalls eine Schusswunde haben?
    Er hörte, wie Cybil seinen Namen rief. Sie kam über den Bürgersteig auf ihn zugelaufen, und ihre dunklen, lockigen Haare flogen um ihr schönes Gesicht.
    Als sie vor ihm stand, ergriff sie seine Hände. »Was ist mit deinem Vater?«
    »Er ist im OP. Wie bist du hierhergekommen?«
    »Cal hat uns angerufen. Quinn und Layla sind hineingegangen, und ich habe dich hier gesehen... Was ist denn passiert?«
    »Cy ist mit seiner.38 in Cals Büro gerannt gekommen und hat wild um sich geschossen. Cal hat er auch getroffen.«
    »Cal...«
    »Er ist okay. Du weißt ja, wie es geht.«
    »Komm, Gage, wir setzen uns irgendwo hin.«
    »Nein, ich... ich möchte lieber gehen. Es passierte alles ganz schnell. Cy ballert los, Cal geht zu Boden. Cy zielt erneut auf ihn, und ich schreie >Nein<...« Das stimmte so nicht ganz, dachte er.

    »Es spielt keine Rolle.« Sie legte ihm den Arm um die Taille. Wenn sie ihm seine Last abnehmen könnte, dann würde sie es tun. Aber seine Last war nicht körperlich.
    »Doch. Es spielt alles eine Rolle.«
    »Ja, du hast recht.« Sanft lenkte sie ihn herum, so dass sie wieder aufs Krankenhaus zugingen. »Erzähl mir, was dann passiert ist.«
    »Wir stürzten uns auf Cy, aber der Mann ist ja massig, außerdem war er infiziert. Er hat uns abgeschüttelt wie Fliegen. Dann habe ich geschrien, und er hat die Pistole auf mich gerichtet.«
    In Gedanken sah er die Szene noch einmal vor sich. »Der Hund hat erst wie gewöhnlich unter dem Schreibtisch gelegen, aber jetzt kam er angeschossen wie ein Kampfhund. Ich hätte es nicht geglaubt, wenn ich es nicht mit eigenen Augen gesehen hätte. Fox wollte sich gerade wieder auf Cy stürzen, als mein Vater wie eine Dampfwalze durch die Tür kommt und Cy anspringt - im gleichen Moment wie der Hund. Die Pistole ging los, und als ich sah, dass Fox nichts passiert war, kümmerte ich mich um Cal. Er war schon dabei, die verdammte Kugel abzustoßen. An den alten Mann habe ich gar nicht gedacht.«
    Cybil

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