Morgenroetes Krieger
gehalten hatte. Er mußte ihr eine Menge erklären und tat dies zu Beginn langsam und behutsam. Manchmal jammerte und weinte sie aus Frustration, fing sich aber sofort wieder, so daß sie Schritt für Schritt weitermachen konnten. Sie lernte alles über jene Welt, in die sie hinei n geboren war. Und wenn Han sich am Anfang noch g e wundert hatte, wie unbeschwert sich das Universum um sie drehte, so wunderte er sich jetzt, wie unbeschwert sie sich um das Universum drehte. Und nachdem sie diese neue Welt mit neuen Augen betreten hatte, entwickelte sie einen solchen Sinn für Fakten und Sachverhalte, daß dieser an Schärfe selbst jenen von Liszendir übertraf.
„Wenn du den Dicken erwischt hast – werden wir dann in deine Heimat zurückkehren, zu den Wilden-die-ein-Volk-sind? Und willst du mich, einen Zlat, für alle Zeiten? Hast du niemanden, nach dem du mehr ve r langst?“
„Wirklich nicht!“
„Es ist schwer für mich, das zu begreifen – deine Welt. Ich werde nicht wissen, wie man sich benehmen muß.“
„Ich werde es dir zeigen, und du wirst dich dann so verhalten können, wie du magst. Willst du das?“
„Würdest du mir vorschlagen, allein dorthin zu gehen, so würde ich nein sagen. Mit dir aber will ich gehen und auch bleiben. Habe keine Furcht! Mein Entschluß ist de r selbe wie der deinige. Ich fühle und empfinde etwas für dich, von dem ich glaubte, daß es kein Lebewesen dieser Welt erfahren könnte. Aber ich muß dich etwas fragen.“
„Frag nur, Usteyin.“
„Bitte verlange nicht von mir, daß ich die Haare an meinen Beinen entferne. Es ist ein Zlat-Merkmal, das von allen am höchsten geschätzt wird. Ich werde mich bedecken, so wie es bei euch Brauch ist – so komisch mir das auch vorkommt. Eure Frauen denken doch auch, daß sie schön sind, und zeigen es. Oder dürfen sie auch nur Teile davon zeigen? Würdest du vielleicht deine Kop f haare abschneiden wollen?“
„Nein, du kannst so bleiben wie du bist. Inzwischen gef ä llt es mir.“ Er streichelte das feine, seidige Haar an ihren Unterschenkeln und Fußgelenken. Er mußte sich eingestehen, daß er in der Tat großen Gefallen daran g e funden hatte. Während er so versunken dasaß, bemerkte er plötzlich, daß sie ihn schüchtern und erwartungsvoll anschaute.
„Komm näher zu mir, ich will noch ein wenig an dir herumknabbern!“ sagte sie mit weicher, wohlklingender Stimme. „Von allem, was wir bisher zusammen gemacht haben, ist das am schönsten.“
So vergingen die Tage und Nächte, und er wurde ihrer nicht überdrüssig. Er entdeckte an ihr Seiten, geheime Winkel und Eigenarten, die er anfangs übersehen hatte und die sich jetzt wie das Wachstum einer Pflanze im Zeitraffer entfalteten. Doch der Tag kam, an dem Hatha zurückkehrte und mit ihm diese Zeit ein Ende nahm. Se i ne Ankunft wurde Han umgehend gemeldet. Es war Mi t tagszeit, und Hatha ließ ihn zu sich rufen. Han bat darum, Usteyin mitbringen zu dürfen, und zu seiner großen Überraschung hatte Hatha nichts dagegen einzuwenden; doch tat er dies mit einem zynischen Unterton, den Han verwirrend und bedrohlich fand.
Liszendir wartete schon in der Halle, in der sie sich verabredet hatten. Han musterte sie. Sie machte einen müden, abgespannten und überarbeiteten Eindruck. Was auch geschehen sein mochte, sie war nahe an der Grenze ihrer Leistungskraft. Er glaubte nicht, daß es physischer Natur war, sondern irgendwie etwas, das tiefer ging. Der Zwang, mit den Kriegern zusammenarbeiten zu müssen, begann erste Auswirkungen zu zeigen. Und soweit er sehen konnte, wußte sie von all dem nichts, was er für sich in Erfahrung gebracht hatte. Ihre gegenwärtige A r beit wurde dadurch noch drückender. Und außerdem: Sie hatte keine Usteyin. Nachdem sie gemeinsam gegessen hatten, ergriff Hatha als erster das Wort.
„Ich stelle fest, daß du mit deiner neuen Freundin e i nige Wunder vollbracht hast. Selbst mir fällt es schwer, noch immer in ihr einen bloßen Besitz, ein Haustier oder ein Zuchtprodukt zu sehen. Du hast in einigen Tagen u n geschehen gemacht, wozu wir Tausende von Jahren g e braucht haben. Sie ist nun ein Mensch. Du wirst bald merken, was dieser Erfolg für dich bedeutet. Sie wird nie mehr zu den Zlats zurückkehren können, noch wird man ihr erlauben, sich einem von ihnen zu nähern. Sie weiß schon zuviel. Deinen eigenen Wissenshorizont kann ich gut überblicken, denn er entwickelte sich in einer irreg e leiteten Gesellschaftsordnung – ihrer hingegen
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