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Morgenroetes Krieger

Morgenroetes Krieger

Titel: Morgenroetes Krieger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Anthony Foster
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damit an einen kleinen Daumen erinnernd. Wie der andere Daumen, so war auch dieser gegenst e hend, so daß die Ler beim Schreiben weder rechts- noch linkshändig waren, sondern mit beiden Händen in gle i cher Weise schreiben konnten, wobei sie den Stift zw i schen beiden Daumen hielten. Liszendir trug keinen Ring. Die Nägel waren rosa, glatt und kurz geschnitten. Ins Auge fiel allein eine kleine Tätowierung an der Wu r zel des Innendaumens, die an das alte chinesische Sy m bol von Yin und Yang erinnerte.
    „Was bedeutet dieses Zeichen?“ fragte Han.
    „Es ist das Erkennungszeichen meiner Berufsausbi l dung.“
    „Es ähnelt sehr einem antiken Symbol auf der alten Erde. Chinesisch! Hat sich euer Volk diese Zeichen zum Vorbild genommen?“
    „Ja, zum Teil. Das beste Beispiel ist die Sprache. U n sere Single-Sprache ist nach ihrem Vorbild aufgebaut, allerdings nur, was die phonetischen Einheiten anbetrifft. Syntax und Grammatik haben wir nicht übernommen. Jeder Wortstamm in der Single-Sprache hat drei Teile: Anfangskonsonant, Mittelvokal und Endkonsonant. Den Regeln gemäß hat jede Einheit vier Bedeutungen. Soweit die Entsprechungen. Für die Aussprache benutzen wir das Alt-Englisch, da wir früher in einem Land lebten, wo man diese Sprache gesprochen hat. Wir haben viel von ihren Grundprinzipien übernommen, jedoch unter Ve r wendung eines anderen Materials. Das sind somit die Unterschiede.“
    Han wollte unterbrechen, aber Liszendir fuhr fort: „Vor allem haben wir ihren Gedanken der Veränderlic h keit und des steten Wechsels aufgegriffen. Sie wußten sehr gut über das Prinzip der Permutation Bescheid, auch darüber, daß alle Dinge vergänglich sind. Alles, was e i nen Anfang hat, muß vergehen, und alles, was existiert, muß sich verwandeln. Sie waren als Traditionalisten ve r schrien, aber ihre Kultur dauerte auf der Erde länger als jene, die an Steine, Metalle und die Illusion der Unve r gänglichkeit glaubte. Wir hoffen, daß sie auch weiterhin fortbestehen wird.“
    Han erhob sich, ging zur Kücheneinheit, programmierte sie und kam zurück. Dann sprachen sie über die Me n schen. Han fühlte sich dabei im Nachteil, da ihm jenes Kontinuitätsbewußtsein mit den Vorfahren fehlte, das Li s zendir in ganz ausgeprägter Form zu besitzen schien. Die Ler-Gesellschaft machte auf ihn einen statischen, altmod i schen, primitiven und sippengebundenen Eindruck. De n noch eigneten sie sich ohne große Mühe bestimmte Fo r men der Technologie an und schienen auch durch diese Neuerungen unter keinerlei kulturellen Erschütterungen gelitten zu haben. Als Gruppe zeigten sie nur wenig Ve r änderungen – sie waren bemerkenswert homogen; Ler von verschiedenen Planeten benutzten die gleiche Sprache und praktizierten dieselben Sozialstrukturen. Die Menschen dagegen waren inhomogen und divergent.
    Was seine eigenen Vorfahren anbetraf, so reichte Hans Wissen nur bis zum Großvater seines Vaters zurück, der von irgendwoher nach Boomtown gekommen war und sich als Händler niedergelassen hatte. Darüber hinaus wußte er lediglich, daß der Urgroßvater vermutlich vom Planeten Thersing V stammte. Was und wo waren aber seine Familienangehörigen vordem? Aber das spielte jetzt wohl keine Rolle mehr.
    Die Religion war ein weiteres Feld, wo es eine breite Kluft zwischen den beiden Vorstellungswelten gab. In der Hoffnung, dadurch die Ansichten der Ler aus ihr he r auszulocken, beschrieb Han die menschlichen Praktiken auf diesem Gebiet in allen Einzelheiten. Wie üblich war die herrschende Klasse in der menschlichen Gesellschaft mehr oder weniger ungläubig und leistete zu jedem Kult, der gerade in Mode war, überschwengliche Lippenb e kenntnisse. Die Handlungsweisen blieben dieselben – nur die Rechtfertigungen änderten sich. Und wie alles andere in der menschlichen Kultur sonst auch, so änderte sich die Religion ebenfalls unter den wechselnden Raum- und Zeitverhältnissen.
    Von der Ler-Religion wußten die Menschen – falls es überhaupt eine gab – nur wenig oder gar nichts. Einige Gelehrte behaupteten, daß man diese oder jene Grun d struktur annähernd erkennen könne; aber bei näherer B e trachtung schienen sich all diese Theorien eher auf die Vorurteile der Autoren zu beziehen und weniger auf den eigentlichen Gegenstand. Auch Liszendir sperrte sich gegen dieses Thema, Han konnte keinerlei Einzelheiten aus ihr herausbekommen; jeder direkten Frage wich sie geschickt aus. Das einzige, was er von ihr erfahren kon n te,

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