Morgenroetes Krieger
drehte sich überrascht um. „Du weißt nicht, was du da fragst. Aber es ist kein Geheimnis. Wortwörtlich b e deutet er ‚die samtdurchwebte Nacht’. Ein ‚Liszendir’ ist eine besondere Art von Himmel … so, wenn der Nach t himmel sehr klar ist und nur wenige feine Zirruswöl k chen ihn bedecken … ein hauchdünner Schleier, ang e strahlt vom Sternenlicht . Normalerweise ein Himmel wie im Winter, den wir nur ab und zu auch im Sommer h a ben.“
Han zuckte verblüfft mit den Achseln. „Gut, das ist wenigstens ein kleiner Fortschritt. Nun kennen wir uns ein wenig besser.“
Liszendir schaute ihn mit einem unergründlichen Blick an und machte eine abwehrende Bewegung. „Es gibt keinen Fortschritt. Es gibt nur stete Veränderung.“ Sie verschwand durch die Tür.
3.
Vor allem aber Theorien, Prinzipien oder Ideen haben die hervorragende Eigenschaft und Fähigkeit, den Geist in Ketten zu legen.
Kommentare der vierzehn Weisen,
V l, Ch3, Suntrev 15
Der Rest ihrer Reise nach Chalcedon verstrich in zuvo r kommender Zurückhaltung. Dennoch gab es zwischen ihnen etwas Ungeklärtes und Ungelöstes, etwas, das u n ter anderen Umständen keinerlei Probleme gemacht hä t te.
Han, amüsiert und verwirrt über seine eigenen Rea k tionen, dämpfte sein wachsendes Interesse an Liszendirs starker Sinnlichkeit, indem er sich unter anderem einen Vollbart wachsen ließ, der – wie er glaubte – die Sache für sie beide leichter machte. Zuerst wuchs er sehr lan g sam, aber mit der Zeit wurde er dichter und bekam eine zunehmend seidenweiche Struktur. Er war fast schwarz, dunkler jedenfalls als seine dunkelbraunen Haare, zudem machte es ihm Spaß, viel Zeit für seine Pflege aufzuwe n den.
Wie er erwartet hatte, zeigte sich Liszendir wenig d a von angetan; ihrer eigenen Rasse wuchsen keine Bärte; tatsächlich fehlte ihnen bis auf die Augenbrauen jegliche Körperbehaarung, eine Feststellung, die ihn stets veru n sicherte und verwirrte, wenn er mit dem Gedanken einer eventuellen Liaison mit dem Ler-Mädchen spielte. Wie mochte das sein? Vielleicht so wie mit einem Kind? Nein, er bezweifelte das stark, sobald er ihre wissenden, weisen Augen und ihre Art, sich zu bewegen, sah.
Umgekehrt versuchte sie alles, um beschäftigt und vö l lig asexuell zu wirken – es war gänzlich unmöglich; es war fast so, als wenn ein Kaninchen versuchen wollte, einen Widerwillen gegen frisches Gemüse vorzutäuschen. Bisher brauchte sie ihr Verlangen nie zu unterdrücken – mußte aber selbst zugeben, daß es eine ausgezeichnete Übung zur Selbstkontrolle war. Han stimmte ihr zu: Selbstkontrolle – ja, in der Tat!
Um die Zeit totzuschlagen, brachte er ihr bei, wie man ein Raumschiff steuerte. Er begründete dies mit dem A r gument, daß eventuell eine Situation auftreten könnte, wo der eine gezwungen wäre, die Pallenber allein zu fliegen, während der andere die Waffensysteme bediente, von denen sie eine beachtliche Menge an Bord hatten. Er wußte ja nur zu gut, daß sie diese Waffen nur im äuße r sten Notfall anwenden würde. In den Papieren war die Pallenber als bewaffnetes Handelsschiff ausgewiesen. Han wußte, daß dies nichts weiter als eine schöne U m schreibung für Kaperschiff war. Er wußte auch sehr gut, daß solche Dinge passierten, allerdings war dergleichen in der Umgebung seines Heimatplaneten seit vielen Ja h ren nicht mehr vorgekommen.
Bei ihrer gemeinsamen Arbeit – die sehr langsam v o ranging, da Liszendir einen sehr niedrigen technischen Bildungsstand zu haben schien – fragte er sie, wie die Ler ihre Kriege miteinander austrugen. Er konnte sich einfach nicht vorstellen, wie man Kriege führen konnte, ohne dabei Waffen zu benutzen, die die Hand verließen.
„Es gibt auch bei uns Kriege, mehr als genug. ‚Hast du einmal einen Ler-Krieg miterlebt, so wirst du Pazifist’, lautet ein Sprichwort. Haben wir Meinungsverschiede n heiten und sollte es zu einer kriegerischen Lösung ko m men, so geht man ihr nicht aus dem Weg. Alle nehmen daran teil. Wir kämpfen jedoch nur um ganz reale und faßbare Dinge – um etwas, das einen unmittelbar betrifft. Unsere Aktionen wären nach deinen Begriffen so etwas wie ein Angriff der leichten Infanterie. Ein weiterer U n terschied zu den Menschen besteht in der Tatsache, daß das Streben nach Landbesitz bei uns bedeutend schw ä cher ausgeprägt ist. Wir kämpfen auch nicht um Dinge wie Politik und Religion. Der Kampf um solche Dinge geht weit über jenes
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