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Morgenrot

Morgenrot

Titel: Morgenrot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Heitmann
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brauchte sie im Augenblick nicht.
    Lea blinzelte überrascht, als ein Sonnenstrahl über ihre Nasenspitze wanderte. Das Buch, in dem sie eben noch gelesen hatte, lag mit umgeknickten Seiten auf dem Boden. Ihre Zunge klebte am Gaumen. Sie war auf der Veranda eingenickt. Kurz spürte sie einen Anflug von schlechtem Gewissen. Aber dann reckte sie sich und durchwuschelte mit beiden Händen das platt gelegene Haar am Hinterkopf.
    Wie lange sie wohl geschlafen hatte? Das war doch ganz und gar egal, versicherte sie sich hastig. Hier konnte sie die Tage verstreichen lassen, wie es ihr gefiel. Ein vollkommen neues Lebensgefühl, und sie stellte verblüfft fest, dass ihr die Umstellung nicht schwerfiel.
    Dabei waren ihre Tage stets mit Terminen vollgestopft gewesen, seit sie denken konnte. Schon als sie ein kleines Mädchen war, hatte ein fein säuberlich ausgearbeiteter Wochenplan mit Pinocchio-Magneten am Kühlschrank befestigt gehangen. Schließlich hatte sie auch als Erwachsene das fortgeführt, was ihre Mutter für das Beste gehalten hatte, um ihre verträumte Tochter an die Realität zu binden:Wer beschäftigt ist, kommt nicht auf die Idee, sich mit Fabelwesen anzufreunden oder Jagd auf Kellergeister zu machen. Aber das begriff Lea erst jetzt.
    Wenn man es genau betrachtete, war Adam nicht der Einzige, der sich Veränderungen stellen musste, dachte sie. Erstaunlicherweise fühlte sich der Gedanke an eine den Zwängen des Alltags enthobene Lea gar nicht so schlecht an. Was würde der Aufenthalt am See noch alles zutage fördern?
    Zumindest hatte er schon dazu geführt, dass sie mit zitternden Fingern die Nummer ihrer Chefin gewählt hatte. Mit stockenden Worten hatte sie der bemerkenswert gefassten Frau erklärt, dass sie sich in einem anderen Land befände und dort auch für einige Zeit zu bleiben gedachte.
    »Das ist doch keine große Überraschung, Lea«, hatte ihre Chefin gesagt. Dabei hatte ihre Stimme so milde geklungen, dass Lea verwirrt gegen den Hörer geklopft hatte. Dieser Tonfall war ausschließlich für Autoren reserviert, die sich in einer tiefen Schreibkrise befanden. »Dieses selbst auferlegte Arbeitspensum war auf Dauer auch nicht zu stemmen. Hier im Haus wurde so manche Wette verloren, weil Sie viel länger durchgehalten haben als der wohlwollendste Tipp. Wir haben uns in der letzten Zeit wirklich große Sorgen um Sie gemacht. Sie wirkten unglaublich abgehetzt und haben niemanden mehr an sich herangelassen. Gönnen Sie sich die Auszeit und lassen Sie sich mal ein wenig verwöhnen! Bücher wird es auch ohne Sie geben.«
    Verdutzt hatte Lea in der Küche gehockt und sich die Worte ihrer Chefin durch den Kopf gehen lassen. Offensichtlich hatte jeder damit gerechnet, dass sie über kurz oder lang Opfer eines Burn-out-Syndroms werden würde. Nun, um etwas in der Art handelte es sich ja tatsächlich, und seit ihrer Ankunft am See hatte sie sich auch wie bei einem Sanatoriumsbesuch aufgeführt: dösen, spazieren gehen, lesen , g ,pg,
    Adam war dabei die meiste Zeit in ihrer Nähe, werkelte in Haus und Garten und schien selbst kaum das Verlangen zu empfinden, diese Schonfrist zu beenden. Ihre Gespräche drehten sich fortwährend um die Schönheit des Sees, das Seelenleben der Katze und die neuesten Entwicklungen bei Buffy.
    Meist ließ Lea eine Bemerkung fallen, auf die Adam mit einem Brummen oder schlichten Nicken reagierte. Dennoch hatte sich seine Schweigsamkeit verändert:War es Adam früher darum gegangen, Lea auf Distanz zu halten, so herrschte nun ein Gleichklang zwischen ihnen, der keiner vielen Worte bedurfte. Deshalb genoss sie die Stille. Um die gelegentliche Plauderei in ein tiefer gehendes Gespräch zu überführen, fühlte sie sich noch viel zu angeschlagen.
    Auch Adam ging augenscheinlich manches durch den Kopf, das er noch nicht in Worte zu fassen bereit war. Trotzdem machte er niemals einen bekümmerten oder gar unzufriedenen Eindruck. Vielmehr überraschte es Lea, wie leicht es war, ihm ein vergnügtes Lachen zu entlocken. All die Tage über umspielte ein Lächeln seine Lippen, als kitzle ihn jemand an der richtigen Stelle. Gelegentlich ließ er sich kurzerhand auf seinen Schoß zu setzen und ihm etwas Verdorbenes ins Ohr zu flüstern. Am meisten berührte es sie, wenn er ihr dieses spezielle Lächeln schenkte: eine Andeutung in den Mundwinkeln, die seine Augen zum Funkeln brachte wie ein prächtiges Feuerwerk. Dass sie der Grund für dieses Lächeln sein sollte, konnte sie kaum glauben.
    So

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