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Morgens um sieben ist die Welt noch in Ordnung

Morgens um sieben ist die Welt noch in Ordnung

Titel: Morgens um sieben ist die Welt noch in Ordnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Malpass
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möglichst schnell hinter sich bringen. «Vermutlich müssen wir auch Bea und Ben, die ja so gerne feiern, wieder einladen, oder?»
    «Überflüssig», sagte Mummi, «die haben sich schon selber eingeladen.»
    Großtante Bea und Großonkel Ben waren, ob einzeln oder gemeinsam, unvermeidliche Requisiten jeder Gesellschaft.
    Als solche wurden sie von der gesamten Familie gefürchtet, argwöhnisch betrachtet und widerwillig geduldet. Paps, mit Paketen geschmückt wie ein Weihnachtsbaum, meinte wehmütig: «Weihnachten könnte ein so hübsches Fest sein, wenn man es nur dabei beließe: Morgens in die Kirche, dann futtert man nach Herzenslust, holt gemütlich vor dem gewaltigen Kaminfeuer versäumte Lektüre nach, kippt sich in allen Ehren einen hinter die Binde, schläft lange und macht am zweiten Feiertag morgens einen großen Spaziergang.»
    «Übrigens wird ja wohl auch Roses Mr. Roberts kommen», sagte Mummi, die die glückliche Gabe besaß, abzuschalten, sobald Paps zu weitschweifig wurde.
    «Statt dessen spielen wir Gesellschaftsspiele, die kein Mensch ausstehen kann, und laden uns das Haus voller Leute, die wir wie die Pest meiden würden, wenn wir sie in einem Hotel träfen.»
    «Man kann nicht sagen, daß wir uns das Haus voller Leute laden, nur weil Bea und Ben kommen», sagte Mummi, die die noch glücklichere Gabe besaß, passende Antworten zu geben, obwohl sie bereits abgeschaltet hatte.
    «Das kann man nicht sagen?» Paps klang verbittert. «Du brauchst nur die beiden in ein Zimmer zu stecken, und schon ist es überfüllt, ganz gleich, wie viele sonst noch drinnen sitzen.» Er ließ ein Paket fallen, bückte sich, um es aufzuheben, und verlor gleich noch zwei weitere Päckchen. Jetzt war er wütend. «Dieses ganze Tam-Tam haben wir nur Dickens zu verdanken», schrie er aufgebracht.
    «Liebling, die Leute sehen schon her», sagte Mummi. «Laß dich nicht von beruflicher Eifersucht übermannen.»
    Paps verstummte. Eines der heruntergefallenen Pakete war das mit dem Briefbeschwerer gewesen, und bei dem Gedanken, was es hätte enthalten können, wurde er ganz traurig-«Hallo, Ben. Hallo Bea, da seid ihr ja», sagte Opa. Er war sichtlich niedergeschlagen.
    Onkel Ben schlug ihm auf den Rücken, eine Verwegenheit, die sich selbst der Kühnste zweimal überlegt hätte. «John, du siehst miesepetrig aus. Was ist los? Ist dir Weihnachten auf den Magen geschlagen?» röhrte er.
    Paps kam herein, sah die Gäste. «O Gott», murmelte er. «Fröhliche Weihnachten allerseits!»
    Onkel Ben betrachtete ihn prüfend, während er sich sein fülliges Kinn strich. An seinem Augenzwinkern konnte man erkennen, daß er jetzt eine Bombe loslassen würde. «He, was ist denn mit dir los, Joss? Du siehst aus, als wärst du einem Gespenst begegnet.»
    «Dem Schreckgespenst des teuren Weihnachtsmannes», erwiderte Paps. Er fand dabei nichts Komisches, wohl aber Onkel Ben, der wieder losröhrte: «Bea, hast du das gehört? Dem Schreckgespenst des teuren Weihnachtsmannes. Teurer Weihnachtsmann, verstehst du? Joss, das mußt du unbedingt in einem deiner Bücher verwenden.»
    Wenn Paps etwas noch mehr haßte, als Joss genannt zu werden, so war es die Empfehlung, er solle dies oder jenes in einem Buch verwenden. Das klang immer, als käme ein Buch ebenso zustande wie das Höllengebräu der drei Hexen, die die verschiedensten Ingredienzien in ihren Eintopf werfen. Am liebsten hätte er geantwortet: Hör mal zu. Weißt du, wie Faulkner die Aufgabe eines Schriftstellers definiert? (Aus dem Material des menschlichen Geistes etwas zu schaffen, was vorher noch nicht existierte.) So entsteht ein Buch. Nicht, indem man abgedroschene Phrasen zusammenflickt. Aber er sagte es nicht. Onkel Ben hätte es doch nicht verstanden.
    Rose glitt ins Zimmer. «Hallo, Herzchen», schrie Tante Bea. Sie küßte Rose und hielt sie auf Armeslänge von sich wie einen Rock, den man daraufhin ansieht, ob er zur Reinigung muß. «Du siehst ein bißchen spitz aus, Liebes. Ben, findest du nicht auch, daß Rose ein bißchen spitz aussieht?»
    «Ja», sagte Ben, der mehr für das Mollige war und sowieso fand, daß die ganze verflixte Familie ein bißchen spitz aussah.
    Wie ich Weihnachten hasse, dachte Rose. Alle gluckten zusammen, alle waren geradezu ekelhaft herzlich; vom Alkohol wurde ihr übel, und das fette Essen machte ihrer Galle zu schaffen. Und morgen würde Bobs kommen, und sie wußte jetzt schon, daß es ein schrecklicher Tag werden würde, weil Becky einfach nicht

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